Projekt Sakkara
wohlgesinnt. Während die Templer kämpferischer Natur waren, errichteten die Johanniter Krankenhäuser. Sie wurden deswegen auch Hospitaler genannt. Das Konzil lief natürlich darauf hinaus, dass die Templer bei allen Vorteilen einer Zusammenlegung der Orden eine zehnfache Menge an Gegenargumenten vorlegten. Aus dem Codex ist nun zu erfahren, dass es angeblich einen Plan der Templer gab, die Gelegenheit zu nutzen, um den Johannitern just zu diesem Zeitpunkt einen Schatz anzuvertrauen. Das ergibt auf den ersten Blick nicht viel Sinn. Auf den zweiten jedoch sehr wohl, denn es gab schon länger böse Gerüchte und üble Nachrede gegen den Templerorden, und tatsächlich wurde er ja nicht einmal ein Jahr später verboten und zerschlagen. Molay musste das vorausgesehen haben, daher brachte er seinen Schatz in Sicherheit und verhinderte die Zusammenlegung der Orden. Bei seinen Rivalen, den Hospitalern, würde niemand danach suchen.«
»Aber wer würde denn einen Schatz seinen Gegnern überlassen?«, fragte Patrick.
»Jemand, dem der Erhalt des Schatzes wichtiger ist als sein Besitz«, erwiderte Peter. »Die beiden Orden waren zwar in der Vergangenheit immer wieder aneinandergeraten, aber wenn es um den Schutz des Heiligen Landes oder der Pilger ging oder um wichtige militärische oder humanitäre Einsätze, dann arbeiteten sie ganz gut zusammen. Die Hospitaler waren nicht so streng und galten gemeinhin als bodenständiger. Außerdem hatten die Hospitaler zu diesem Zeitpunkt einen großen Vorteil: Nach dem Verlust der Besitztümer im Heiligen Land hatten sie sich eine neue Heimat gesucht: auf Zypern. Den Templern fehlte ein solcher Rückzugsort. Jacques de Molay erkannte vielleicht die Zeichen der Zeit, wusste, dass sein Orden untergehen würde, und erkannte in den Hospitalern eine sichere Bank für die nächsten hundert Jahre.«
»Und die Stele? Wo ist sie jetzt?«
»Auch das sagt uns der Codex: zur Verwahrung in der kürzlich von ihnen eroberten Festung. Die Hospitaler führten zu diesem Zeitpunkt gerade einen Feldzug, und der Sieg stand kurz bevor. Sie belagerten und stürmten eine Burg nach der anderen und schließlich die Hauptstadt der Insel, in der sie für die nächsten zweihundert Jahre ihren Großmeisterpalast bauen würden: Rhodos.«
24. Juli 1940, Großmeisterpalast, Rhodos Stadt
Ein schmaler Streifen silbrigen Mondlichts schien in die Kammer, in die James sich geflüchtet hatte, nachdem er unbeobachtet in den Palast geschlüpft war. Er hatte einen Moment abpassen können, in dem niemand das vordere Tor beachtete. So war er ungesehen in den inneren Bereich gelangt, hatte sich dort versteckt, bis die Wache sich wieder nach vorn bewegt hatte und für einige Minuten eine andere Tür offen stand. Die Zeit hatte gereicht, um in das fast menschenleere Gebäude zu gelangen, sich eilig ein leeres Zimmer zu suchen und sich dort einzuschließen.
Im schwachen Mondlicht versuchte James, die dünnen Zeiger seiner Armbanduhr zu erkennen. Halb zwei. Die letzten Stimmen in der Nähe hatte er vor einer Stunde gehört. Jemand hatte sich auf dem Flur unterhalten, war vorbeigegangen und wieder verschwunden. Einige Minuten später hatte er noch ein dumpfes Poltern gehört, dann war es in den Mauern still geworden. Aus der Ferne waren ab und zu Geräusche von Motorrädern zu hören, sicher Soldaten, die jenseits des Festungsgrabens durch die nächtlichen Straßen fuhren, und einmal hatte er ein Grölen von innerhalb der Stadtmauern gehört. Sicher ein Betrunkener. Aber nun schien alles wie ausgestorben. Es war höchste Zeit, sich auf den Weg zu machen, denn er wusste nicht, wie schnell er vorwärtskommen würde. Außerdem musste er seinen Rückweg mit einkalkulieren.
James trat an die Tür und griff nach dem Schlüssel. Er zögerte. Legte noch einmal sein Ohr an das Holz und verharrte einige Augenblicke. Aber es war nichts zu hören.
Vorsichtig drehte er den Schlüssel und drückte mit der anderen Hand die Tür in den Rahmen, so dass sie nicht plötzlich nach innen aufspringen konnte. Als er sie entriegelt hatte, zog er sie langsam auf und sah in den Flur hinaus. Er verlief nach rechts und links gute fünfzehn Meter geradeaus, gesäumt von anderen Türen. Wenn ihm auf diesem Gang jemand entgegenkäme, gäbe es keine Chance, sich zu verstecken. Allerdings war es nicht wahrscheinlich, dass das ausgerechnet in den wenigen Augenblicken geschah, die er für den Weg benötigen würde.
Also trat er aus dem Zimmer, lehnte
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