Projekt Sakkara
Schrift hervorragend auskannte. Ein Grund mehr, ihm die kostbaren Aufzeichnungen zu entwenden und ihn außer Gefecht zu setzen. Wenn der Mann mehr als ein Kuriositätenjäger war und so viel Sachverstand hatte, dann konnte er der Sache gefährlich werden.
Er stellte seine Lampe neben der Stele auf den Boden, setzte sich und begann, die restlichen Zeichen auf das Papier zu übertragen. Es fehlte nicht mehr viel. Als er fertig war, erhob er sich und sah, dass Rosner gerade zurückkam.
»Was haben Sie mit ihm gemacht?«
»Ein Stück den Gang hinunter gibt es einen Raum, in dem wir ihn bewachen. Eine Gittertür gibt es auch, aber kein Schloss.«
Morgen überlegte, ob er Rosner anweisen sollte, den Mann zu liquidieren. Es wäre mit Sicherheit die sauberste Lösung. Andererseits respektierte er die Arbeit des Fremden, und ohne die Abschrift würde er ohnehin nicht weiterkommen. Er konnte also auch einfach hier in den Kellern verrotten, das würde am wenigsten Scherereien verursachen. »Besorgen Sie ein Schloss, und dann lassen Sie ihn hier zurück!«
»Sehr wohl, Herr Doktor Morgen!«
»Und Ihre übrigen Männer sollen sich um den Stein kümmern.« Er wies auf die Stele. »Ich habe die Inschrift kopiert. Wir brauchen ihn jetzt nicht mehr. Haben Sie verstanden, was ich meine?«
»Jawohl.«
»Gut. Ich bin fertig, außerdem wird es mir zu kalt. Ich gehe zurück, Sie kommen mit Ihren Leuten hinterher, sobald Sie fertig sind. Wir treffen uns in der Herberge.«
5. Oktober 2006, Rhodos Stadt
Peter und Patrick fanden fast ein Dutzend Bruchstücke der grünen Steinplatte und setzten sie wie ein Puzzle zusammen. Ihnen war schnell klar geworden, dass die kostbare Stele unwiderruflich verloren war, doch erst als sie alle Teile beisammen und kombiniert hatten, wurde das Ausmaß der Zerstörung offenbar. Die einst polierte Oberfläche war zerschunden und zerhackt, kaum ein einziges Schriftzeichen ließ sich eindeutig erkennen. Jemand hatte die Inschrift mutwillig und vollständig aus dem Stein geschlagen. Und was die Schändung vollkommen machte, nahm fast die gesamte Fläche ein: ein grobschlächtig eingemeißeltes Hakenkreuz.
5. Oktober 2006, Guardner Residence, Kairo
Oliver Guardner saß im Halbschatten einer Palme und las die Al-Ahram, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung bemerkte. Sorgsam faltete er die Zeitung zusammen, als Al Haris sich zu ihm gesellte.
»Setzen Sie sich, werter Freund.«
Der Weißbärtige dankte und nahm Platz.
»Ihre Gäste sind auf Rhodos, Oliver?«
»Ja. Ich stelle es mir gerade vor. Die alten Gassen, der Palast. Ein schönes Stück Erde.«
»Das ist wahr. Und voller Geschichte, die fast noch lebendig scheint.«
»Und voller Geschichten, als sei es gerade erst gewesen.«
»Es hat sich viel verändert dort. Vermutlich würden wir es nicht als das Rhodos wiedererkennen, an das wir uns aus unserer Jugend erinnern.«
Guardner lächelte, sprach doch sein Gast in einem einzigen Satz über sehr unterschiedliche Zeiträume. »Wann waren Sie zuletzt dort?«
»Es ist schon fast nicht mehr wahr«, entgegnete Al Haris. »Obwohl ich es mehrfach plante, erforderten doch immer andere Dinge meine Aufmerksamkeit.«
»Das ging mir auch so. Und nun ... « Er machte eine Pause und sah an sich herab. »Ich bin nicht mehr geschaffen für das Reisen. Ich habe es bei meinem Flug nach Hamburg gemerkt.«
»Es ist Ihnen hoch anzurechnen, dass Sie die Strapazen überhaupt auf sich genommen haben.«
»Ich bin fest davon überzeugt, dass es jede Anstrengung wert war.«
»Dann halten Sie noch immer große Stücke auf Ihre beiden Gäste?«
»Unbedingt. Den Auftakt haben sie überaus schnell und ohne jede Schwierigkeit hinter sich gebracht. Aber wir beide wissen, dass die größten Herausforderungen noch vor ihnen liegen.«
»Thot ist erwacht und auf ihrer Spur.«
»Ja, ich weiß.«
»Fürchten Sie nicht um ihre Sicherheit?«
»Doch, natürlich. Beunruhigende Dinge sind geschehen. Ich habe in den letzten Nächten wenig Schlaf gefunden. Aber ein Gipfel kann nicht erobert werden, indem der Berg eingerissen wird. Zudem hoffe ich, dass sich Thot so lange zurückhalten wird. Ich bin viel mehr beunruhigt wegen der Frau.«
»Was halten Sie von ihr?«
Guardner sah seinen Gast eine Weile nachdenklich an. Wie so oft schien es ihm, dass Al Haris seine eigene Meinung hinter einer Frage versteckte. »Sie ist eine unberechenbare Größe.«
»Halten Sie sie für gefährlich?«
»Das weiß ich nicht. Das
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