Projekt Sakkara
ist es, was mich nicht schlafen lässt. Sie hat der Geschichte unzählige neue Enden hinzugefügt.«
Al Haris lächelte. »Sie haben vollkommen recht. Aber es überrascht mich nicht.«
»Nein?«
»Nach meiner Erfahrung muss man in jeder Gleichung neben den erwarteten unbekannten Größen auch unerwartete unbekannte Größen erwarten.«
Der alte Guardner verfolgte das verschmitze Mienenspiel des Weißbärtigen. »Aber wenn man sie erwartet«, gab er zurück, »dann sind sie demzufolge nicht mehr unerwartet, so dass man stattdessen weitere unerwartete erwarten müsste.«
Al Haris lachte auf. »Ja! Das ist es, Oliver. Das ist das Leben, wie es spielt.«
Guardner lächelte nun ebenfalls. »Dann soll es mich auch nicht überraschen. Warten wir den Lauf der Dinge ab. Wer weiß, welche Überraschungen mit ihr auf uns zukommen.«
»Ja«, sagte Al Haris, »wer weiß.«
Kapitel 7
24. Juli 1940, Keller des Großmeisterpalastes, Rhodos
Als sich die Stimmen der Deutschen entfernt hatten und mit ihnen der letzte Lichtschein ihrer Laternen, holte James eine Kerze aus seiner Tasche, die ihm die Soldaten in die Zelle geworfen hatten. Er fand auch seine Streichhölzer, entzündete eines und sah sich schließlich mit der brennenden Kerze in der Hand im Raum um.
Es war nicht mehr als eine finstere, fensterlose Kammer im Keller. Die Wände waren solide, und außer dem vergitterten Eingang gab es keine andere Öffnung. Das Gitter war neuen Datums, offenbar erst vor wenigen Jahren in die Öffnung zementiert worden, die einst für eine hölzerne Tür vorgesehen gewesen sein mochte. Die Deutschen hatten ein Vorhängeschloss besorgt. Es war nicht groß, und es hielt das Gitter auch nur so lose fest, dass es Spiel hatte und sich sogar einen Zentimeter weit öffnen ließ. Die Freiheit war zum Greifen nah, aber selbst der nur einen Finger breite Stahl war zu stabil, als dass er ihn verbiegen oder brechen könnte. Er trat mit aller Wucht gegen das Metall, riss daran, wütete. Aber alles Rütteln vermochte weder dem Gitter noch dem Schloss irgendeinen Schaden zuzufügen.
Frustriert wandte er sich ab. Die verdammten Nazis hatten ihn nicht nur eingesperrt. Was viel schlimmer war: Sie hatten ihm seine Aufzeichnungen gestohlen, und nach dem, was er gehört hatte, vermutlich die Stele zertrümmert. Der möglicherweise kostbarste Schatz der Menschheit war vernichtet!
Aber es gab eine Chance. Dadurch, dass er den Text kopiert hatte, hatte er ihn auch gelesen! Die Deutschen hatten offenbar nicht geahnt, dass jemand die Hieroglyphenschrift so gut kannte, dass er sie ohne Referenz und Wörterbuch entziffern und verstehen konnte. Sie hatten nicht mit seinem Expertenwissen gerechnet. Natürlich waren ihm nicht alle der mehreren tausend Zeichen geläufig, die man inzwischen kannte. Aber er hatte genug verstanden. Eine Zeichnung war ihm besonders aufgefallen. Er suchte den Boden ab und fand einen Haufen Holzreste, darunter einen Zimmermannsnagel. Dann ritzte er die Zeichnung aus seiner Erinnerung in die verwitterte Steinoberfläche der Wand.
Ja! Das war es. Er betrachtete die Zeichnung eine Weile und erwog verschiedene Gedanken. Es ergab so viel Sinn! Aber es war nur ein weiterer Meilenstein auf dem Weg der Suche. Nun war ihm klar, dass die Lösung nicht auf Rhodos zu finden war.
Er musste hier herauskommen!
Noch einmal ließ er seinen Blick durch den Raum wandern. Aber es war zwecklos. Es gab keinen Ausgang, außer durch das Gitter. Und da er das Schloss weder mit Gewalt noch mit Geschick öffnen konnte, blieb ihm nur, jemanden herbeizurufen, in der Hoffnung, an einen anderen Ort gebracht zu werden und nicht unbemerkt in dieser dunklen Zelle zu verrotten.
Er durchsuchte die Holzreste erneut, bis er ein geeignetes Stück Holz fand, ging damit zum Eingang und begann, mit aller Macht gegen das Gitter zu hämmern, so dass das Scheppern durch den ganzen Keller hallte. Irgendwann, so vermutete er, würde jemand in die Nähe eines Zugangs in die Untergeschosse kommen und den Lärm hören.
Er musste nicht lange warten, bis er einen Lichtschein am Ende des Gangs wahrnehmen konnte. Er rüttelte nur noch einige Male schwach am Gitter, um sicherzugehen, dass man die Geräuschquelle auch finden würde. Dann entfernte er sich ein wenig von der Tür und setzte sich mit dem Rücken an eine Wand.
Einer der italienischen Wachposten kam mit einer Laterne in der Hand durch den Gang, blieb neben dem Gitter stehen und leuchtete in den Raum, in dem eine
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