Projekt Wintermond
Er und Ihr Vater hatten die Russenmafia um ein Vermögen betrogen. Sie wollten Peter und mich für unsere Hilfe bezahlen, wenn wir den Mund hielten. Aber wir wussten genau, was uns erwartete. Hinter der Grenze hätten sie uns ermordet. Darum bin ich bei der ersten Gelegenheit geflohen.«
Jennifer hörte die Dielen knarren. Wie lange würde es dauern, bis die Männer vor der Kellertür standen?
»Mein Vater hatte in jener Nacht Angst, sagten Sie. Wie kommen Sie darauf?«
»Es stand ihm ins Gesicht geschrieben.«
»Haben Sie mit meinem Vater gesprochen?«
»Nein, kein Wort.«
Jennifer hörte wieder Geräusche. Jemand lief durchs Haus. Die Männer durchsuchten die Zimmer. »Herr Vogel, ich muss wissen, ob mein Vater den Schneesturm überlebt haben könnte.«
»Unmöglich. Die Schneewehen waren meterhoch. Er und Lazar können nicht überlebt haben. Ausgeschlossen.«
»Sie haben es doch auch geschafft.«
»Das war ein Wunder, und die passieren bekanntlich nicht alle Tage.«
»Hat es Sie nicht interessiert, was aus den beiden geworden ist?«
»Kaum. Als es mir sechs Wochen später besser ging, bin ich aufs Wasenhorn gestiegen und habe nach den Leichen gesucht, aber vergebens. Überrascht hat mich das nicht. Vermutlich sind sie wie Peter in eine Gletscherspalte gestürzt und umgekommen.«
»Das stimmt nicht. Einer von ihnen hat überlebt und fünf Tage später das Kloster der Dornenkrone aufgesucht.«
»Das ist unmöglich! Niemand kann fünf Tage in den Schneewehen überlebt haben.«
»In der Nähe des Gletschers steht eine Schutzhütte, in der sie Zuflucht gesucht haben könnten.«
Vogel überzeugte dieses Argument immer noch nicht.
»Glauben Sie mir, Sie klammern sich vergebens an die Hoffnung. Ihr Vater ist erfroren. Eine Leiche kann ich Ihnen nicht als Beweis liefern, weil ich keine gefunden habe, aber…«
Vogel verstummte, und Jennifer stockte der Atem, als jemand oben an der Kellertür rüttelte. Augenblicke später hörten sie ein anderes Geräusch. Sie drehten sich zur Hoftür um, die langsam geöffnet wurde. Jennifer hob die Beretta und nahm die Tür ins Visier.
»Ich bin’s«, flüsterte die vertraute Stimme McCauls.
»Die Kerle sind oben, Frank, und treten die Tür ein.«
McCaul brach der Schweiß aus. Das laute Rattern war nicht zu überhören. »Wir sitzen in der Falle. Ein Typ mit einer Maschinenpistole deckt die Rückseite des Hauses.«
59
Mark trat aufs Gas. Sie hatten Murnau hinter sich gelassen. Kelso schaute hektisch auf die Straßenkarte. Nach drei Minuten erreichten sie eine Hauptverkehrsstraße und fuhren Richtung Osten zum Wasenhorn. Grimes und Fellows folgten ihnen. Rechts und links mündeten schmale Waldwege, die alle gleich aussahen, in die Hauptstraße.
»Wo entlang?«, fragte Mark. Er hatte die Orientierung verloren. »Den nächsten Weg links rein.«
Zwei Minuten später bog Mark nach links auf einen schlammigen Pfad ab, der kurz darauf in einem Tannenwald endete. »Kein Haus in Sicht, Kelso. Sind wir auf dem richtigen Weg?«
Kelso blickte auf die Karte. »Scheiße!«
» Haben wir uns verfahren?«
»Der Bauernhof muss hier irgendwo sein! Wenden Sie.«
Vor Angst wie gelähmt, lauschte Jennifer dem Lärm. Jemand trat gegen die Kellertür; Holz splitterte. Die Eindringlinge brachen die Tür auf. Sie saßen in der Falle.
»Gibt es keinen anderen Ausgang?«
»Dann würde ich nicht mehr hier sitzen«, erwiderte Vogel mit bebender Stimme. »Wir sind erledigt. Gegen Maschinenpistolen haben wir keine Chance.«
»Stellen Sie sich beide an die Wand, und halten Sie um Himmels willen den Mund«, befahl McCaul.
»Was haben Sie vor?«
»Tun Sie, was ich sage, Jennifer.« McCaul knipste seine Taschenlampe an und stellte sich auf Zehenspitzen unter die Glühbirne, die an der Decke hing. Mit dem Ärmel seiner Jacke schraubte er die Birne vorsichtig heraus, sodass nur noch das schwache Licht der Taschenlampe den Keller erhellte.
Jennifer und Vogel drückten sich gegen die Wand.
»Pssst!«, zischte McCaul. Er nahm ein dickes Holzscheit vom Stapel, trat hinter die Hoftür und schaltete die Taschenlampe aus.
Der Lärm oben hinter der Kellertür wurde lauter. Eine gedämpfte Stimme war zu hören. Sekunden später wurde die Hoftür einen Spalt geöffnet. Tageslicht fiel durch die Lücke. Der Lauf einer Waffe tauchte im Türspalt auf, ehe die Tür aufflog. Einer der Killer, eine Maschinenpistole in den Händen, näherte sich in geduckter Haltung. Als oben ein lautes Rattern
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