Projekt Wintermond
sagte sie: »Wie ich hörte, hat ein Amerikaner den Leichnam meines Vaters gefunden.«
»Si. Ein junger Mann namens Chuck McCaul.«
»Könnte ich mit ihm sprechen?«
»Scusi, das ist nicht möglich.«
»Warum nicht?«
»Er ist tot.«
15
Fünfzehn Minuten später fuhr Jennifer zurück in die Schweiz. Sie hatte beschlossen, die Nacht in Simplon zu verbringen. In Varzo schien man nicht auf Touristen eingestellt zu sein. Außerdem wollte sie sich den Gletscher ansehen, wo ihr Vater gefunden worden war. Der Polizist hatte sichtlich gezögert, ihr nähere Erklärungen über den Tod des amerikanischen Bergsteigers zu liefern. Er sprach von einem Unfall am Furkapass und dass die Schweizer Polizei in dem Fall ermittle. Jennifer wunderte sich über den Tod des jungen Mannes und hoffte auf nähere Erklärungen von commissario Caruso.
Jennifer stand vor einer Kreuzung. Die linke Abzweigung führte in das malerische Dorf Simplon. In dem Ort, der nur über ein paar lange, schmale, gepflasterte Straßen verfügte, standen eine weiße Kirche mit einem Zwiebelturm, ein paar Hotels und eine gemütliche Bar.
Ehe Jennifer links nach Simplon abbog, sah sie im Innenspiegel einen dunklen Opel, der ungefähr fünfzig Meter hinter ihr fuhr. Der Wagen war ihr schon auf der Fahrt von Varzo hierher aufgefallen. Da der Opel getönte Scheiben hatte, konnte sie keinen Blick ins Innere werfen, hatte aber das Gefühl, dass der Fahrer ihr folgte.
Jennifer bog auf den Parkplatz vor dem Hotel ein. Auf der Tafel stand: Hotel Berghof. Als sie ausstieg, fuhr der Opel an ihr vorbei. Die dunklen Scheiben wirkten bedrohlich auf sie. Der Opel fuhr die gepflasterte Straße hinunter, bog auf die Hauptstraße ein und verschwand. Sekunden später hatte Jennifer den Wagen bereits vergessen.
Mark hatte Jennifers Verfolgung fortgesetzt, nachdem sie die Karabinieri-Wache verlassen hatte.
Ihre Fahrt zurück über die Grenze nach Simplon gab ihm Rätsel auf. Er war davon ausgegangen, dass sie weiter nach Turin fahren würde, da Paul Marchs Leichnam im dortigen Leichenschauhaus lag. Was hatte das zu bedeuten?
Mark suchte auf der Karte das Wasenhorn, das sich zwischen Simplon und Varzo befand. Von Simplon aus schien der Berg schneller erreichbar zu sein. Vielleicht wollte Jennifer sich die Stelle ansehen, an der die Leiche ihres Vaters gefunden worden war. Und weil es früh dunkel wurde, musste sie sich ein Hotel suchen. Anders konnte Mark sich nicht erklären, weshalb Jennifer die Grenze erneut passiert hatte.
Plötzlich meldete sich das Funkgerät. Es war Grimes.
»Sind Sie da, Mr Ryan?«
»Ja, ich bin hier.«
»Wir sind ungefähr fünfhundert Meter hinter Ihnen. Was hat sie vor?«
»Offenbar will sie zurück nach Simplon.«
»Warum?«
»Vielleicht möchte sie sich die Stelle ansehen, wo der Leichnam ihres Vaters gefunden wurde. Und weil es heute zu spät dafür ist, wird sie dort übernachten wollen.«
»Könnte sein. Sollen wir die Beschattung kurzfristig übernehmen?«
»Nein, nicht nötig.«
»Okay. Sobald sie ein Hotel gefunden hat, sollten Sie sich in der Nähe ebenfalls ein Zimmer suchen, damit Sie Jennifer nicht aus den Augen verlieren. Wir übernachten ebenfalls in dem Ort. Over.«
Mark legte das Funkgerät auf den Beifahrersitz. Jennifer fuhr ins Dorf und hielt vor einem Hotel namens Berghof. Unter dem Schild stand: Zimmer frei. Zu beiden Seiten der gepflasterten Straße gab es Hotels und Bars. Leider erkannte Mark zu spät, dass er sich in einer Einbahnstraße befand. Auf beiden Seiten parkten Autos. Er konnte nirgendwo anhalten. Der Wagen hinter ihm hupte bereits.
Verdammt.
Er musste genau an Jennifer vorbei. Zum Glück schützten ihn die getönten Scheiben. Doch als er Jennifer in zehn Metern Entfernung passierte, sah er, dass sie auf den Opel starrte. Mark steuerte schwitzend auf den Ortsausgang zu, hielt am Straßenrand und schaltete das Ortungsgerät ein. Es zeigte keinen Positionswechsel an. Verdammt. Es war jammerschade, dass Jennifer den Opel bemerkt hatte. In Zukunft musste er vorsichtiger sein.
Mark schaute auf die Uhr. Es war fast vier. In einer Stunde brach die Dämmerung herein. Bis dahin musste er warten, damit er sich ein Hotel in der Nähe des Berghofs suchen konnte. Jennifer durfte auf keinen Fall ein zweites Mal auf den Opel aufmerksam werden.
Der Berghof war ein idyllisches Hotel mit Holzbalken und weiß gestrichenen Wänden. Jennifer ging zur Rezeption, hinter der eine gut gelaunte junge Frau telefonierte.
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