Projekt Wintermond
Geländewagen vor seinem Blick, doch bisher hatte er eine sichere Entfernung eingehalten. Es herrschte nicht viel Verkehr, und ihm folgte kein Wagen. Grimes und Fellows machten ihre Sache verdammt gut. Das musste man ihnen lassen.
Vor einem Café hielt Jennifer an. Mark blieb hundert Meter hinter ihr stehen. Nach einer Viertelstunde verließ sie das Lokal, stieg in den Toyota und fuhr weiter. Mark setzte die Verfolgung fort.
Als Jennifer in das winzige italienische Grenzdörfchen Iselle fuhr, schien die Sonne. Sie passierte problemlos den Grenzposten. Der italienische Zollbeamte in der grünen Uniform warf nur einen flüchtigen Blick in ihren Reisepass. Zehn Minuten später erreichte Jennifer Varzo, eine kleine, verschlafene Stadt. Die örtliche Wache der Karabinieri war gut ausgeschildert.
Das dreistöckige alte Gebäude mit den beigefarbenen Mauern stand auf einem kleinen gepflasterten Platz. Eine Steintreppe führte zum Eingang. Auf der Veranda standen große Pflanzen in Terrakotta-Töpfen. Das Gebäude sah eher wie ein Wohnhaus als wie eine Polizeiwache aus. Jennifer wurde daran erinnert, dass sie sich auf italienischem Boden befand, wo es nicht so förmlich zuging wie in der Schweiz. An der Fassade hing eine Sprechanlage. Jennifer parkte den Toyota gegenüber vom Platz, ging zum Gebäude und drückte auf die Taste der Sprechanlage.
Zwei müde Männer traten in Hemden und Unterwäsche auf die Veranda. Sie rieben sich die Augen und starrten auf Jennifer. Einer schlüpfte unbeholfen in seine Hose und hüpfte auf einem Bein über die Veranda. Jennifer hätte am liebsten laut gelacht. Es war kurz nach Mittag. Vermutlich hatte sie die Männer bei ihrer Mittagsruhe gestört. Ein junger Korporal stieg die Treppe hinunter, während er sein Hemd in die Hose stopfte.
»Signorina. Cos’e caduto?«
Jennifer sprach kein Italienisch. Erfolglos versuchte sie dem Korporal den Grund ihres Kommens zu erklären. Schließlich rief der Korporal einen Kollegen zu Hilfe. Ein stämmiger Mann Ende vierzig mit dickem Schnurrbart trat auf die Veranda und stieg die Treppe hinunter. Er trug ein Halfter, in dem eine Pistole steckte, und eine Hose mit roten Streifen. »Signorina«, sagte er, während er seine Uniformjacke zuknöpfte.
»Sprechen Sie Englisch?«
»Si. Ein wenig. Ich hin Wachtmeister Barti. Wie kann ich Ihnen helfen?«
Jennifer erklärte es ihm.
»Folgen Sie mir bitte, Signorina.«
Der Wachtmeister stieg die Treppe hinauf und führte Jennifer in ein unordentliches Büro. Er bot ihr einen Stuhl an und nahm hinter dem Schreibtisch Platz. »Commissario Caruso leitet die Ermittlungen«, sagte er. »Er wird mit Ihnen sprechen wollen.«
»Kann ich zu ihm?«, fragte Jennifer.
»Sein Büro ist in unserer Zentrale in Turin, und im Augenblick ist er leider dienstlich in der Schweiz unterwegs. Aber er kommt morgen zurück. Kann ich Ihnen nicht helfen, Signorina?«
»Wo liegt der Leichnam meines Vaters?«
»In Turin.«
»Ich möchte ihn sehen.«
Barti zuckte mit den Schultern. »Das ist nicht möglich. Commissario Caruso muss bei der Identifizierung zugegen sein.«
Verärgert erwiderte Jennifer: »Dann möchte ich wenigstens den Ort sehen, wo mein Vater gefunden wurde.«
»Darüber sollten Sie besser mit dem Commissario sprechen. Der Weg dorthin ist ziemlich weit und sehr gefährlich. Vor Einbruch der Dunkelheit wären wir nicht zurück.«
Besonders hilfreich war der Wachtmeister nicht, aber vermutlich waren ihm die Hände gebunden. Jennifer musste sich auf jeden Fall mit diesem Caruso treffen.
»Dann warte ich, bis ich mit dem commissario sprechen kann. Wann treffe ich ihn an?«
»Morgen Nachmittag, würde ich sagen. Gegen zwei. Ich rufe in seinem Büro an und sage ihm, dass Sie nach Turin kommen.«
Als Barti sich hinter seinem Schreibtisch erhob, sagte Jennifer: »Darf ich Sie fragen, ob Sie den Leichnam meines Vaters gesehen haben?«
»Si.«
»Können Sie mir sagen, wie er gestorben ist?«
Dem Wachtmeister lag die Antwort schon auf der Zunge, als er sich eines Besseren besann. »Auch darüber sollten Sie mit dem commissario sprechen. Er wird Ihnen alles erklären.«
Jennifer seufzte niedergeschlagen. Von diesem Mann erfuhr sie wirklich nichts. »Gibt es hier ein Hotel, in dem ich übernachten könnte?«
»Hier gibt es nur zwei kleine Pensionen. Auf der anderen Seite der Grenze finden Sie gute Unterkünfte. Das Hotel Berghof in Simplon ist bei den Gästen sehr beliebt.«
»Danke.« Ehe Jennifer zur Tür ging,
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