Projekt Wintermond
aber der Motor lief noch einwandfrei. Garuda liebte den alten Schlitten fast mehr als Angeline.
Die Villa der Marchs – ein zweistöckiges Gebäude im Kolonialstil mit großem Grundstück, gepflegtem Garten und eigenem Bootshaus – sah genauso aus wie damals, als er an dem Fall gearbeitet hatte. Als Garuda an dem Anwesen vorbeifuhr, fragte er sich, ob Jennifer March das Haus mittlerweile verkauft hatte.
Er parkte am Bordstein, stieg die Treppe zur Veranda hinauf und klingelte. Da niemand öffnete, ging er um das Haus herum. Das Gartentor war verschlossen. Enttäuscht ging Garuda zum Nachbarhaus, das kleiner und bescheidener war, und klingelte dort.
Eine ältere Frau erschien hinter der Glastür. Sie war übergewichtig und unattraktiv. In ihrem Haar steckten rosafarbene Lockenwickler. Sie trug einen hässlichen bunten Morgenmantel, den sie ängstlich vor der Brust umklammerte. Mein Gott, ging es Garuda durch den Kopf. Der arme Kerl, der mit dieser Schabracke schlafen muss. Wenn ich je mit so einer Frau im Bett liegen müsste, würde ich mir die Kugel geben.
Die Frau fragte argwöhnisch: »Ja?«
Garuda zeigte ihr seine Dienstmarke. »Entschuldigen Sie die Störung. Ich suche einen Freund von mir, Detective Ryan. Seine Familie wohnt im Haus nebenan.«
Die Frau sah sich die Dienstmarke an und entspannte sich. »Sie meinen Mark?«, fragte sie freundlich.
»Richtig, Ma’am. Von seiner Dienststelle habe ich erfahren, dass er Urlaub hat. Sie haben nicht zufällig jemanden von seiner Familie gesehen? Ich müsste dringend mit ihm sprechen.«
»Tut mir Leid. Mark lebt seit Jahren nicht mehr hier. Seine Mutter wohnt allein. Sie ist im Augenblick in Phoenix bei ihrer Schwester. Soviel ich weiß, bleibt sie noch einen Monat dort.«
»Wissen Sie, wo ich Mark finden kann?«
»Nein. Wilbur hat seine Adresse, aber er ist im Augenblick nicht da.«
»Wilbur?«
»Mein Mann.«
Garuda seufzte enttäuscht. »So wichtig ist es auch nicht. Danke.«
Garuda fuhr zurück in seine Wohnung in der Bronx. Angeline war nicht da. Die hauchdünnen Dessous, die sie gestern getragen hatte, lagen auf dem Bett. Der Geruch der stürmischen Liebesnacht hing noch in der Luft. Garuda spürte Erregung in sich aufsteigen, unterdrückte das Gefühl jedoch. Im Moment hatte er Wichtigeres zu tun. Er war zu Marks Haus in Elmont gefahren und hatte vom Nachbarn erfahren, dass er die Stadt gestern verlassen hatte. Wohin Mark gefahren war, wusste der Nachbar auch nicht. Garuda staunte nicht schlecht. Mark und Jennifer March hatten die Stadt beide an demselben Tag verlassen.
Er dachte kurz nach und rief dann eine Nummer am Kennedy-Flughafen an. Die erotische Stimme einer Frau antwortete: »Debbie Kootzmeyer, Kundenbetreuung. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Debbie, hier Lou Garuda. Du musst mir einen Gefallen tun.«
»Lou, ich hab dir gesagt, wenn mein Mann mich noch einmal beim Fremdgehen erwischt, reicht er die Scheidung ein.«
»Hör mal, du hast doch Zugang zu den Passagierlisten, stimmt’s?«
»Warum?«
»Ich muss wissen, ob gestern jemand an Bord einer Maschine die Stadt verlassen hat, vom JFK oder von La Guardia. Der Mann heißt Mark Ryan.«
»Lou, du weißt, dass ich dir darüber keine Auskünfte geben darf.«
»Es ist sehr wichtig, Debbie. Nur ein Name. Mark Ryan. Wenn wir uns das nächste Mal sehen, mache ich es dir wieder gut.«
»Meine Güte, Lou. Hast du eine Ahnung, wie viele Personen jeden Tag vom JFK und La Guardia abfliegen?«
»Versuch es bitte. Es ist nur so ein Gefühl, aber überprüf zuerst die Flüge in die Schweiz. Vielleicht gestern Abend. Mark Ryan wohnt in Elmont, Long Island. Vielleicht hilft dir das.«
Debbie seufzte. »Ich ruf dich zurück.«
Fünfzehn Minuten später rief sie ihn an. »Ein Passagier namens Mark Ryan, wohnhaft in Elmont, ist gestern mit American Airlines nach Zürich geflogen.«
Garuda lächelte. »Debbie, du bist ein Schatz. Sitzt du vor dem Computer?«
»Klar. Wo soll ich sonst sein?«
»Du könntest eine zweite Buchung für mich überprüfen. In derselben Maschine müsste eine Frau namens Jennifer March gesessen haben.«
Garuda hörte, wie Debbie auf die Tastatur tippte. »In der Maschine saß niemand mit diesem Namen.«
»Bist du sicher?«
»Ich hab die verflixte Liste auf dem Monitor, Lou.«
»Kannst du mir sagen, wann sie geflogen ist?«
»Lou, du gehst mir wirklich auf die Nerven.«
»Wenn wir uns nächstes Mal treffen, verwöhn ich dich wieder mit dieser Nummer mit den
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