Projekt Wintermond
Mann getötet haben, aus der Schweiz geflohen sein und seinen Reisepass und den Rucksack mit der Kleidung zurückgelassen haben. Vielleicht hoffte er, dass der Leichnam als der von Paul March identifiziert wird – falls man ihn überhaupt jemals findet.«
Jennifer errötete. »Ich kannte meinen Vater sehr gut. Er hätte niemals einen Mord begangen, dafür lege ich meine Hand ins Feuer.«
Kurz darauf klopfte jemand an die Tür. Rima trat ein. »Wir sind mit der Autopsie fast fertig. Sie möchten sicher wissen, was sich dabei ergeben hat…«
Caruso nickte. »Und ob.«
»Wir haben keine inneren Verletzungen festgestellt. Die Blutergüsse könnte das Opfer sich beim Sturz in den Gletscher zugezogen haben. Bisher deutet alles auf Tod durch Erfrieren hin. Bestimmte Untersuchungen der inneren Organe müssen wir noch vornehmen. Es wird ein paar Tage dauern, bis die Ergebnisse vorliegen, aber ich erwarte keine Überraschungen.«
»Danke, Vito.«
Der Pathologe verabschiedete sich von Jennifer und McCaul und ging hinaus.
»Sehen Sie. Nichts deutet auf einen Mord hin«, sagte Jennifer.
»Sieht so aus«, gab Caruso zu. »Trotzdem ist es seltsam. In welchem Hotel wohnen Sie?«
»Im Berghof in Simplon.«
Caruso klappte die rote Mappe zu und legte die Plastikbeutel mit den Beweisstücken zurück in den Karton. Offenbar war das Gespräch für ihn beendet. Er zog eine Visitenkarte aus der Brusttasche und schrieb eine Nummer auf die Rückseite. »Meine Privatnummer, falls Sie mich hier nicht erreichen. Sollte es zu weiteren Zwischenfällen kommen, rufen Sie mich bitte sofort an.«
»In Ordnung«, sagte Jennifer.
»Jetzt muss ich mich von Ihnen verabschieden.« Caruso zog sein Jackett vom Stuhl und zeigte mit einem gequälten Lächeln auf das Bild auf dem Schreibtisch. »Wenn eine italienische Ehefrau das Mittagessen fertig hat, sollte man nicht zu spät kommen.« Der commissario wandte sich an McCaul. »Ich möchte Ihnen noch einmal mein Beileid aussprechen. Ich verspreche Ihnen, dass ich die Schweizer Kollegen bitten werde, den Fall gründlich zu untersuchen. Sie mögen mir die Bemerkung verzeihen, aber die Ermittlungen sollten Sie den zuständigen Polizeibehörden überlassen.«
»Als freier Bürger bin ich befugt, eigene Ermittlungen vorzunehmen«, erwiderte McCaul wütend, »solange ich das Gesetz nicht übertrete und offizielle Ermittlungen nicht behindere.«
Caruso nickte. »Stimmt. Das ist Ihr Recht.«
»Ich will den Mörder meines Sohnes finden und lasse mir von niemandem verbieten, eigene Nachforschungen anzustellen. Von Ihnen auch nicht, commissario. Dieser Fall betrifft mich persönlich!«
Caruso nahm den Wutausbruch gelassen hin. »Ich kann Ihren Unmut verstehen. Sie haben einen schweren Verlust erlitten. Dennoch muss ich Sie bitten, sich der Polizei nicht in den Weg zu stellen, wenn Sie auf eigene Faust ermitteln.« Er steckte die rote Mappe in seine Aktentasche. »Ich sehe mir die Notizen zu den Beweisstücken heute Abend genau an. Vielleicht habe ich etwas übersehen. Sollte ich etwas finden, rufe ich Sie an.«
In der Tiefgarage machten sich die beiden Männer unverzüglich ans Werk. Sie fuhren den Lieferwagen rückwärts an ein dickes Heizölrohr heran, das aus einem großen Öltank ragte, der die Heizanlage des Gebäudes speiste.
Neben der Treppe hing ein Schild mit der Skizze eines Fingers und der Aufschrift: Mortuaria, Einer der beiden Männer befestigte die Zündkapsel in dem Sprengstoff, während der andere die Tiefgarage im Auge behielt. Er umklammerte die Beretta mit dem Schalldämpfer, die in seiner Jackentasche steckte. Fünf Minuten später hatten die beiden Männer ihr Werk vollbracht und zogen ihre Arbeitssachen aus. Darunter trugen sie schicke Anzüge. Sie verschlossen den Lieferwagen, durchquerten die Tiefgarage und steuerten auf die Treppe zu, die ins Erdgeschoss führte. Niemand hielt sie auf. Zwei Minuten später verließen sie durch den Hauptausgang die Karabinieri-Zentrale.
Caruso stieg die Treppe zur Tiefgarage hinunter und setzte sich in seinen weißen Lancia. Er war spät dran. Seine Frau wartete bestimmt schon ungeduldig.
Der Lancia verfügte über Blaulicht und eine Sirene für Notfälle, und Caruso hatte vor, beides zu benutzen. Das verstieß zwar gegen die Vorschriften, aber ihm war es lieber, den Tadel seines Vorgesetzten einzustecken, als der Wut seiner Frau ausgesetzt zu sein. Er ließ den Motor an und fuhr auf den Ausgang der Tiefgarage zu. Ehe er sich in den Verkehr
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