Projekt Wintermond
einfädelte, fielen ihm zwei Männer auf, die auf der anderen Seite des Platzes in einen schwarzen BMW stiegen.
Beide trugen dunkle Anzüge. Der eine war dünn und blond, der andere dunkel und stämmig. Caruso zog die Stirn in Falten. Es kam ihm vor, als hätte er die beiden Männer auf der Treppe in die Tiefgarage getroffen. Oder irrte er sich?
Doch als er links in die Straße einbog, dachte er schon nicht mehr daran.
Mark parkte vor der Karabinieri-Zentrale. Auf der anderen Seite des Platzes stand ein blauer, ziemlich ramponierter Nissan. Gespannt zog Mark sein Notizheft aus der Tasche. Von der Dame an der Rezeption im Hotel Berghof hatte er das Kennzeichen von McCauls Wagen erhalten.
Volltreffer! Die Kennzeichen stimmten überein. Demnach war Jennifer noch im Gebäude und mit der Identifizierung des Toten beschäftigt. Als Mark sein Notizheft wieder in die Tasche steckte, entdeckte er am Rand des Platzes eine Trattoria mit gutem Blick auf die Zentrale. Er beschloss, dort zu warten und einen Kaffee zu trinken.
Mark schloss gerade seinen Opel ab, als er Jennifer in Begleitung eines großen, sportlichen Mannes die Treppe der Karabinieri-Zentrale hinuntersteigen sah. Die beiden waren knapp dreißig Meter von ihm entfernt.
Plötzlich blickte Jennifer in seine Richtung.
Rasch wandte Mark das Gesicht ab und ging mit schnellen Schritten davon. Erst ein gutes Stück weiter riskierte er einen Blick über die Schulter. Jennifer und der Mann hatten den Platz überquert und betraten die Trattoria.
In der Trattoria war kaum Betrieb. Jennifer und McCaul bestellten sich Panini und ein Glas Rotwein.
»Was ist? Sie sehen aus, als hätten Sie ein Gespenst gesehen«, sagte McCaul.
»Glauben Sie an die Theorie, dass jeder Mensch einen Doppelgänger hat?«
»Wie bitte?«
Jennifer blickte aus dem Fenster, noch immer fassungslos. »Als wir vorhin die Zentrale verließen, habe ich einen Mann gesehen, der einem Freund von mir aufs Haar glich. Ich könnte schwören, es war Mark.«
»Wer?«
»Ich sagte doch, ein Freund von mir. Ich bin sicher, er war es, aber… das ist verrückt. Er ist in New York.«
»Offenbar hat die Identifizierung Sie stärker mitgenommen, als Sie glauben. Der Schock hat Sie durcheinander gebracht.« McCaul, der sein Panino nicht angerührt hatte, stand auf. »Entschuldigen Sie mich. Ich muss mich um die Formalitäten kümmern, damit Chucks Leichnam in die Heimat überführt wird.«
»Kann ich etwas für Sie tun?«, fragte Jennifer. McCauls offenkundige Trauer machte sie betroffen.
»Danke, ich glaube nicht.«
Jennifer schaute McCaul nach, der zum öffentlichen Telefon im hinteren Teil des Restaurants ging. Ihm war anzusehen, dass er schwer an der Last seiner Trauer zu tragen hatte. Jennifer blickte wieder durchs Fenster auf den Platz. Sie hätte schwören können, dass der Mann, den sie gesehen hatte, Mark war. Aber das war absurd. Mark war fünftausend Meilen entfernt. Dennoch ließ sie den Blick auf der Suche nach seinem Doppelgänger über die Straße schweifen. Der Mann war verschwunden.
Vielleicht hatte McCaul Recht, und die Ereignisse in der Leichenhalle hatten sie verwirrt. Die Enttäuschung und die rätselhaften Vorgänge machten ihr zu schaffen. Es gab so viele Fragen, auf die sie keine Antworten hatte. Was ist aus meinem Vater geworden? Wie kamen sein Reisepass und die anderen Dinge in den Rucksack des Toten? Wohin ist Vater damals gegangen? Lebt er vielleicht noch?
Schließlich kam McCaul zurück. In seinen Augen schimmerten Tränen. »Es ist alles erledigt. Sobald Chucks Leichnam von den Schweizer Behörden freigegeben worden ist, kann er in die Heimat überführt werden.«
Er sah unendlich traurig und wütend zugleich aus. Jennifer strich ihm über die Hand. »Sie sollten Ihren Unmut nicht an Caruso auslassen. Er gibt sich alle Mühe.«
»Ja. Aber es ist alles zu viel für mich. Gestern Abend musste ich Chuck in einer Leichenhalle in Brig identifizieren. Ich… ich kann nicht glauben, dass er tot ist. Der Gedanke, meinen Sohn in einem Sarg nach Hause zu bringen, bricht mir das Herz.« McCaul geriet wieder in Zorn.
»Ich werde den Mistkerl finden, der meinen Sohn umgebracht hat, und ihm sämtliche Knochen brechen!«
Jennifer hielt noch immer seine Hand. »Beruhigen Sie sich.«
»Beruhigen! Beruhigen! Wie fühlen Sie sich denn?«
»Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Ich bin hierher gekommen, um meinen Vater zu identifizieren, und stattdessen liegt ein Fremder vor mir. Aber
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