Promenadendeck
Fatale.
Auf dem Promenadendeck zögerte Beate, nachdem sie zwei Schritte von der Reling zurückgetreten war. »Kommen Sie nicht mit?« fragte sie Barbara Steinberg.
»Wohin?« Barbara sah sie erstaunt an.
»Ich dachte, Sie wollten ebenfalls schlafen gehen.«
»Nein. Dazu bin ich innerlich viel zu aufgeregt. Ich möchte noch eine Weile übers Meer blicken und mich beruhigen. Ist das auch Ihre erste Seereise, Beate?«
»Meine dritte.«
»Bei mir ist es die erste – und für lange Zeit auch die letzte. Aber ich beginne das Meer zu lieben.«
Im Treppenhaus wartete Dabrowski, als Beate vom Promenadendeck zurückkehrte. Erschrocken blieb sie stehen und atmete hastig.
»Sie … Sie sind mir nachgekommen?« Ihre Stimme zitterte ein wenig.
»Das ist ein falscher Ausdruck, Beate. Ich wußte so sicher, wie mein linkes Ohr auf der linken Kopfseite sitzt, daß Sie nach einer kleinen Wartezeit Ihre Kabine wieder verlassen würden, um Paterna und Barbara Steinberg zu beobachten. Aber es war unklar, wie Sie sich verhalten würden, und ich bin Ihnen deshalb gefolgt.«
»Und wie habe ich mich verhalten?«
»Fabelhaft. Einfach fabelhaft, Beate.«
»Danke, Herr Dabrowski.«
»Noch fabelhafter wäre es, wenn Sie einsehen würden, daß es besser ist, Paterna nicht mehr anzuhimmeln.«
»Müssen wir das morgens um zwei Uhr in einem Treppenhaus besprechen?«
»Man soll das Eisen schmieden, solange es noch glüht. Hinterher ist es viel schwerer. Wollen Sie sich zwischen Barbara und Paterna drängen?«
»Ich dränge mich?! Ich reagiere nur auf ihn.«
»So kann man's auch nennen. Knipsen Sie Ihre Reaktion ab. Ihnen ist doch klargeworden, was Paterna für Barbara Steinberg bedeutet. Er ist ihr Schicksal.«
»Und wer fragt mich?« sagte sie hart und mit unbewegtem Gesicht. »Habe ich kein Schicksal?«
»Nun stehen Sie nicht da wie eine altgriechische Tragödin! Paterna und Sie – ihr paßt nicht zueinander. Bei Ihnen ist es ein riesengroßer Schwarm, bei ihm ein heißer Flirt, und es passiert genau das, was Barbara so klug sagte: Abschied in Sydney, heilige Versprechen, sich wiederzusehen, Liebesschwüre … und dann Stille! Nach einem halben Jahr ist alles nicht viel mehr als eine immer mehr verschwimmende Erinnerung.«
»Sie haben auf dem Promenadendeck gelauscht?«
»Ich stand im Schatten der Tür und habe alles gehört. Jedes Wort.«
»Pfui!«
»Das nehme ich auf mich. Das unbeabsichtigte Lauschen hatte seinen Wert. Ich weiß jetzt mehr, und Sie auch!« Dabrowski kam zu ihr und legte ihr den Arm um die Hüfte. Da erst spürte er, wie ein inneres Zucken durch ihren Körper lief. »Kommen Sie!« sagte er väterlich. »Legen Sie sich hin, versuchen Sie zu schlafen. Ist's so schlimm?«
»Noch viel schlimmer.«
»Das geht vorbei. Geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß und befördern es wieder in die richtige Lage.«
»Ich will's versuchen, Herr Dabrowski.«
Plötzlich begann sie zu weinen wie ein kleines Mädchen, das gefallen war, und Dabrowski brachte sie in ihre Kabine, gab ihr einen Kuß auf die Stirn und sagte beim Hinausgehen: »Heul dich aus. Morgen ist dann alles leichter, und die Welt sieht wieder aus, wie sie sein sollte: Sonnig, voller Abenteuer, voller neuer Entdeckungen – einfach schön!«
Sie nickte, warf sich auf das Bett und weinte weiter …
Guayaquil.
Das ist nicht bloß eine südamerikanische Hafenstadt, nicht nur der größte Hafen Ecuadors oder ein immer lebendiges Andenken an die spanischen Eroberer unter dem Pizarro-Hauptmann Sebastian de Belalcázar, der 1533/34 das Land von dem Inkakönig Huascar, einem Sohn des berühmten Inkaherrschers Atahualpa, eroberte und der spanischen Krone zuführte … Guayaquil ist das Tor zu einem der faszinierendsten Länder im nördlichen Südamerika.
Schon die Einfahrt vom Pazifik in das Mündungsdelta des Rio Guayas, an dem landeinwärts die Dreiviertelmillionen-Stadt liegt, hat etwas Atemberaubendes. Plötzlich ist man von schwimmenden Mangroveninseln umgeben, die träge den breiten, gelbgrauen Fluß hinuntergleiten zum Meer, denn um das Schiff herum breitet sich eine urwaldartige Landschaft aus. Undurchdringlicher Dschungel wechselt mit großen Mangrovensümpfen. In den Niederungen der Nebenflüsse dehnen sich riesige Bananenplantagen aus, Kaffee- und Kakaofelder, Reis, Zuckerrohr und Baumwolle. Aus den zum großen Teil noch nicht erschlossenen tropischen Regenwäldern schlägt man Farb- und Edelhölzer heraus. Hier kreischen die Neuweltaffen, hängen die
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