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Promenadendeck

Promenadendeck

Titel: Promenadendeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Strafprozeß, in dem es um einen Mörder ging, der die letzten Schreie seines Opfers auf Tonband aufgenommen hatte. Sie klangen so ähnlich, wenn auch nicht so durchdringend. Und nicht so kraftvoll, daß es durch einige Wände schallte und man meinen konnte, man stünde neben dem Brüllenden.
    Dr. Schwarme zog den Schlips etwas herunter, öffnete den Hemdkragen und drückte auf den Liftknopf Hauptdeck. »Wir … wir werden sofort feststellen lassen, was da auf dem C-Deck los ist«, sagte er stockend. »Wir holen den Hoteldirektor aus dem Bett und, wenn's sein muß, den Kapitän selbst. Ich fahre doch auf keinem Schiff, aus dem Todesschreie gellen!«
    »Sie meinen, das sind … Todesschreie?« Ludwig Moor spürte, wie ein Zittern durch seinen Körper lief. »Das gibt's doch nicht! Zwischen dem ersten Schrei und jetzt dem zweiten lag doch eine halbe Stunde. So lange stirbt keiner.«
    »Haben Sie eine Ahnung, was wir Juristen sehen und hören. Wenn da einer verunglückt ist, eingeklemmt, gequetscht oder so … Ich hatte mal einen Riesenprozeß. Massenkarambolage bei Nebel auf der Autobahn. Vierundneunzig Autos ineinander und übereinander. Einen meiner Mandanten hat die Feuerwehr erst nach sechs Stunden aus dem Wrack schweißen können. Nach sechs Stunden, und er lebte noch. Beide Beine ab. Und er hat von den sechs Stunden vier Stunden geschrien.«
    »Hören Sie auf, mir wird schlecht.« Moor legte die rechte Hand auf seinen Mund. »Warum fährt der Lift so verdammt langsam!«
    Auf dem Hauptdeck war alles leer und still. Hinter der Rezeption der Zahlmeisterei saß ein älterer Mann und las einen Krimi. Er hatte ein weißes Jackett an, es war die Nachtwache.
    Dr. Schwarme stürzte aus dem Lift, als wolle er die Rezeption erobern, nur das ›Hurra! Hurra!‹ fehlte. Ihm folgte Moor, leichenblaß und etwas schwankend.
    Der Mann im weißen Kittel blickte erwartungsvoll von seinem Krimi hoch. Wer jetzt von unten kam, hatte im Fisherman's Club festgehangen. Er kannte das seit nunmehr über vierzig Jahren Passagierfahrt: Es war unfaßbar, was manche Gäste aus der Nachtbar mit nach oben brachten. Darüber hätte man ein nicht jugendfreies Buch schreiben können; angefangen von der Dame, die nur noch ein Höschen trug und alles andere über dem Arm, bis zu dem Herrn Direktor, der jedesmal bei Champagner seinen Durchfall bekam und mit beschissener Hose auf seine Kabine rannte. Die beiden Herren, die jetzt oben ankamen, entwickelten ebenfalls eine verdächtige Eile. Er sah ihnen mit Ergebenheit entgegen.
    »Den Hoteldirektor!« keuchte Dr. Schwarme. »Wir möchten sofort den Herrn Hoteldirektor sprechen.«
    »Jetzt? Es ist vier Uhr morgens.«
    »Ich habe Sie nicht nach der Uhrzeit gefragt«, bellte Dr. Schwarme. »Wecken Sie Herrn Riemke sofort!«
    »Das ist unmöglich.« Der Mann von der Nachtwache blieb geduldig auf seinem Stuhl sitzen. Der Alkoholatem der beiden Herren war Grund genug, ihnen vieles zu verzeihen.
    »Worum handelt es sich?« – »Um einen Schrei, einen fürchterlichen Schrei«, rief Moor.
    »Markerschütternd«, nickte Dr. Schwarme. »Verstehen Sie, Mann! Ein Schrei!«
    »Jawohl, ein Schrei.« Die Nachtwache nickte. Mal was Neues. Kein Ehedrama, kein Besoffener, keine nackte Lady, kein beschissener Konsul … jetzt haben wir zwei Spinner. »Wo?«
    »Auf dem C-Deck.«
    »Aha!«
    »Was heißt aha?!« brüllte Dr. Schwarme.
    »Da haben sie wieder so'n neuen Cool-Song gespielt, in der Bar. Die haben eine Platte, da macht ein Sänger mit kreischender Stimme ›Jiiiiiii!‹ – Verrückt, aber die Leute wollen's! Ist'n Hit. Unsere heutige Zeit ist irgendwie bekloppt. Den Heino, den guten, machen die Kritiker zur Sau, aber wenn einer ins Mikrofon furzt, jubeln sie: Die neue Welle! Wo sind wir gelandet …«
    Dr. Schwarme starrte den Mann von der Nachtwache entgeistert an. »Sind Sie verrückt?« keuchte er endlich. »Sie philosophieren über Musik, und wir melden Ihnen, daß wir einen Todesschrei gehört haben …«
    »Auf Deck C.«
    »Ja!« brüllte Moor, nun auch am Ende der Nerven. Bei einem Beamten vom Grundbuchamt will das etwas heißen. »Todesschrei! Das ist es!«
    »Zweimal!«
    Die Nachtwache nickte ergeben. »Zwei Tote auf Deck C. Und deswegen soll ich den Herrn Hoteldirektor wecken?«
    Moor starrte den Mann hinter der Theke entsetzt an. »Mein Gott, was ist das für ein Schiff!« stammelte er, lehnte sich gegen die Spiegelwand und atmete in tiefen Zügen, als sei die Luft hier zu dünn. »Zwei Tote sind

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