Promenadendeck
anders aus. Bekommt mir bloß nicht noch auf der letzten Strecke einen Kreislaufkollaps!«
Sylvia de Jongh war etwas verwirrt. Der freche, aber nette blonde Herr, der so charmant auf sich aufmerksam zu machen verstand, hatte sich völlig verändert.
Natürlich hatte sich ihr Ehemann unmöglich benommen, aber war das ein Grund, sofort den Beleidigten zu spielen und so zu tun, als habe man sich nie gesehen? Sie schritt mit wiegenden Hüften ein paarmal an ihm vorbei, aber er reagierte nicht. Er lehnte an der Reling, sah den verbissenen Shuffleboard-Spielern zu und warf nur einmal einen kurzen Blick auf ihren vom Bikini kaum verhüllten Busen.
Herbert Fehringer war, auch das findet man bei Zwillingen, der Nüchterne von beiden. Er war der Denker, der Rechner, der Planer. Er bestimmte das Leben seines Bruders Hans mit, und Hans stimmte allem zu, wenn man ihm nur die Freude ließ, seine Umwelt zu genießen. So ließ es Herbert Fehringer auch kalt, daß Sylvia provozierend vor ihm über das Deck stolzierte; keine dummen Abenteuer, hatte er zu Bruder Hans immer wieder gesagt, bloß nicht auffallen. Wir wollen die Welt sehen, aber keine vergitterten Zellen! Wir dürfen nie in der Menge auffallen. Wir sind da und doch fast unsichtbar und lautlos. Man muß uns übersehen, das ist der beste Schutz. Sobald jemand über uns redet, wird's gefährlich!
Er reagierte auch nicht, als sich Sylvia neben ihn an die Reling stellte und wie er auf die Schaumkronen des Meeres blickte, die von der riesigen Schiffsschraube erzeugt wurden.
»Wenn man bedenkt, daß jetzt über tausendfünfhundert Meter Wasser unter uns liegen«, sagte sie, Herbert Fehringer von der Seite anblickend. »Es wird einem ganz schummerig dabei …«
»Dann dürften Sie nie nach Guam fahren. Südlich davon ist das Meer 36.198 Fuß tief.«
»Kaum vorstellbar!«
»Die größte Ozeantiefe dieser Welt.« Fehringer deutete eine leichte Verbeugung an. »Fehringer, mein Name …«
Mit großen, ja fast entsetzten Augen starrte Sylvia de Jongh ihn an. »Was … was soll denn das? Ich weiß doch, wie Sie heißen.«
»Ach!« Jetzt musterte Fehringer sie genauer. Eine Frau, die ein Abenteuer wert war. Ein heißer Urlaubsflirt … aber nicht für einen Fehringer. Wer gratis von San Francisco nach Hongkong fahren will, kann für ein paar Wochen mal auf eine Frau verzichten. In Hongkong würde man dann die Puppen tanzen lassen, daß die Wände wackelten. Es gab da eine Reihe von ›Salons‹, wo Mädchen, schön wie unwirkliche Traumgebilde, einen Mann vergessen lassen, daß außerhalb des Seidenbettes eine gnadenlose Welt liegt. »Wir kennen uns?«
»Ich weiß, mein Mann hat sich Ihnen gegenüber unmöglich benommen. Aber ist das ein Grund, mich das fühlen zu lassen? Sie waren zuletzt so nett zu mir. Bitte, vergessen Sie doch den dummen Zwischenfall!«
Hans, durchfuhr es Herbert Fehringer. Natürlich wieder mein Bruder Hans! Wo ein Rock weht, sprintet er los. Wie oft habe ich ihn ermahnt: Laß die Finger von den Weibern, wenn wir unterwegs sind! Sollten wir irgendwann einmal entdeckt werden, dann nur durch sie! Und jetzt ist er doch wieder heimlich auf der Pirsch. Brüderchen, wir sprechen noch darüber, und nicht zu zart!
»Schon vergessen.« Fehringer lächelte breit, so wie es wohl Hans tun würde. »Gehn wir an die Bar, einen trinken?«
»Gern.«
»Und wo ist Ihr grober Mann?«
»Der sitzt unten im Fitness-Center und strampelt auf einem Trimm-Rad. Er hat den Ehrgeiz, hundert Jahre alt zu werden.«
»Kann er das werden?«
»Wenn er so weitersäuft – nie!«
Sie gingen ins Innere und setzten sich in der Bar auf einen Hocker an der Spiegeltheke. Viele Blicke folgten ihnen, zweifellos war Sylvia de Jongh eine der schönsten Frauen an Bord.
»Was trinken wir?« fragte Herbert Fehringer.
»Das gleiche wie gestern.«
Aufpassen, dachte er sofort. Durch so eine kleine Frage kann man in größte Bedrängnis geraten. Da muß man wendig reagieren.
»Versuchen wir heute mal etwas anderes. Einverstanden? Wie wär's mit einem Cocktail? Blaue Lagune heißt er.«
»Hört sich verlockend an.« Sie lachte girrend und bog sich auf dem Hocker zurück. Ihre Brüste wuchsen ihm förmlich entgegen. Hans, ich bringe dich nachher um, dachte Fehringer, aber er lächelte ihr dabei zu.
»Ist er auch. Nach drei Blaue Lagune ist eine Frau willenlos.«
»Das muß ein unheimliches Gefühl sein. Ich war noch nie willenlos – so, wie Sie es meinen.«
Fehringer bestellte zwei Blaue
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