Promenadendeck
Reilingen zu überreden, zwei Duette zu singen.«
»Und die wollen nicht?«
»Sie können angeblich nicht. Rieti fühlt sich noch heiser und will erst singen, wenn er wenigstens das ›h‹ einwandfrei hinkriegt, und die Frau Kammersängerin liegt in der Kabine und ist seekrank.«
»Wozu haben wir Ärzte an Bord?« Teyendorf zündete sich eine neue Zigarette an. Er hatte die vorhergehende gerade im Aschenbecher zerdrückt. »Was sagt Dr. Paterna?«
»Er hat ihr Tabletten gegeben und schwört, daß sie singen könnte, wenn sie wollte. Aber sie liegt auf dem Bett und verdreht die Augen, wenn jemand in die Kabine kommt. Holletitz lag fast schon auf den Knien vor ihr … sie kann einfach nicht.«
»Na prost!« Teyendorf blickte aus dem Fenster und auf das Rettungsboot, das unter ihm an den Davits hing. »Und sonst?«
»Der Zauberer könnte noch zehn Minuten dazugeben. Aber dann wird seine Nummer zu lang und das Publikum verliert das Interesse. Auch mit Holletitz-Witzen ist die Elefantenzeit nicht zu überbrücken. Das ist noch ein heißes Problem, Herr Kapitän.«
»Ich werde selbst mit den Mimosensängern sprechen.« Kapitän Teyendorf setzte seine Mütze auf und trank das Glas Orangensaft leer, das er anstelle eines Cognac getrunken hatte. Bis zum Abend keinen Alkohol – dies war für ihn selbstverständlich und für seine Offiziere ebenso. Kapitän und Offiziere sind immer im Dienst. Erst beim Abendessen war für alle – mit Ausnahme des Diensthabenden – ›Feuer frei‹.
Anfangs, als Teyendorf das Schiff übernahm, hatte es erregte Diskussionen darüber gegeben. Von Eingriff in die Privatsphäre war da die Rede gewesen, von Kommisdenken, von Knebelbefehlen. Schließlich sei man nicht bei der Kriegsmarine, sondern auf einem fröhlichen Kreuzfahrtschiff. Aber Teyendorf blieb hart und raunzte in der ersten Zeit jeden Offizier an, der eine ›Fahne‹ mit sich herumtrug. Jetzt, nach vier Jahren unter seinem Kommando, war das alles selbstverständlich geworden.
Holletitz wußte später nie zu erklären, wie es Kapitän Teyendorf fertiggebracht hatte, Frau Kammersängerin Margarete Reilingen und Herrn Kammersänger Franco Rieti davon zu überzeugen, daß sie weder seekrank noch heiser seien. Eine Stunde vor Beginn des fröhlichen Abends mit anschließendem Tanz übten sie zwei Duette ein – aus Madame Butterfly und Aida –, der Solopianist Professor Helmut Dragger machte den Korrepetitor und erklärte sich außerdem bereit, ein Potpourri aus Die lustige Witwe zu spielen. Der Abend war gerettet.
»Der Alte ist eine Wucht!« sagte Holletitz begeistert zu Cruisedirektor Manni Flesch. »Der geht einfach hin und macht Halbtote wieder lebendig. Wie schafft der das bloß?«
»Kapitän muß man sein, Hanno«, lachte Flesch. Auch er war glücklich, schließlich oblag ihm die ganze Leitung der Unterhaltung an Bord. »Wer kann einem Kapitän wie Teyendorf etwas abschlagen?«
Unterdessen bastelte Claude Ambert an einem Alibi. In Gegenwart der Stewards Piet und Volker redete er auf seine Elefanten ein, als seien sie Menschen, und erklärte ihnen, warum sie nicht auftreten könnten.
»Ihr seid zu dick und zu groß, meine Kleinen«, sagte er und tätschelte Sissy und Berta zärtlich das Rüsselende. »Aber wartet nur ab: In Acapulco wird man uns wieder zujubeln. Ich bleib jetzt bei euch hier unten, damit ihr nicht gar so traurig seid.«
»Der Kerl spinnt«, sagte Steward Piet, als sie wieder nach oben gingen. »Fehlt nur noch, daß er den Biestern ein Schlafliedchen singt.«
»Vielleicht tut er's?« Steward Volker schnupperte an seinem weißen Jackenärmel. Die Jacke roch nach Tierausdünstung. »Scheiße, wir müssen uns umziehen. Die stinken nach Elefantenpisse. Dieser Ambert hat überhaupt 'ne Schraube locker. Gestern habe ich gesehen, wie er bei Anne White aus der Suite schlich.«
»Er ist eben an Elefanten gewöhnt.«
Sie lachten schallend und fuhren dann mit dem Lift zu ihren Stationen.
Beim Abendessen – es war zunächst Herbert Fehringer dran – sah Sylvia de Jongh hinreißend aus. Ihr Cocktailkleid war so raffiniert geschnitten, daß man nichts sah, aber alles ahnte. Knut de Jongh sonnte sich in solchen Situationen im Glanz seiner Frau: Seht, ihr Kerle, diese Frau gehört mir! Mir ganz allein! Setzt eure Augen ruhig auf Stielchen; Sylvie ist meine Göttin, und so pflege ich sie auch.
Von Tisch 136 nickte Herbert Fehringer leicht zu Tisch A 9 hinüber, als er den Speisesaal betrat. Sylvia nickte
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