Promijagd
kassieren. Ihre Fans, die einen Block neben dem Marathontor besetzt hatten, suchten sie mit wildem Kriegsgeschrei zu unterstützen. Der Einpeitscher wie die Frontmänner hatten die Oberkörper entblößt.
Dutzende von Ordnern in grellen gelben und orangefarbenen Westen standen mit dem Rücken zum Spielfeld und beobachteten das Geschehen auf den Rängen. Dass ja keiner zum Amoklauf über das halbe Spielfeld ansetzte oder Feuerwerkskörper zündete.
Endlich fiel das 1:0 für Hertha BSC, und Mannhardt nutzte die Chance, um aufzuspringen, die Arme hochzureißen und eine Runde Rückengymnastik einzulegen. Geschossen hatte das Tor ein Brasilianer namens Raffael. Deutsche gab es kaum auf dem Platz, der Schiedsrichter hieß Babak Rafati. Er fiel vor allem dadurch auf, dass er den Nürnbergern zumindest einen klaren Elfmeter verwehrte.
»Sonst hätten sie unentschieden gespielt«, sagte Orlando.
»Wer sagt denn, dass sie den Elfer verwandelt hätten«, gab Mannhardt zu bedenken, wissend, dass sich Fußballakademiker über diese Frage stundenlang streiten konnten.
Zum Schutze sensibler Zuschauer verzichtete man auf eine längere Nachspielzeit, und die Nürnberger waren trotz ihrer Niederlage noch nicht abgestiegen, weil Arminia Bielefeld im Spiel gegen Borussia Dortmund kurz vor Schluss das 2:2 kassiert hatte. Dennoch riefen die frustrierten Nürnberger Fans:
»Berlin ist Scheiße!«
»Ich kaufe dieses Jahr zu Weihnachten keine
Nürnberger Lebkuchen«, beschloss Mannhardt.
Auf dem steilen Anstieg zum Ausgang war Dr. Narsdorf neben ihnen und fragte sie, ob sie nicht gemeinsam etwas essen könnten.
»Ich möchte da noch etwas mit dir beziehungsweise Ihnen bereden.«
Er führte sie die Olympische Straße hinunter zu einem Italiener am Steubenplatz. Nachdem sie ein wenig über das Spiel geplaudert und ihre Bestellung aufgegeben hatten, kam er beim Aperitif zur Sache.
»Auf Orlando kann ich mich verlassen, das weiß ich seit Jahren, und Sie, Herr Mannhardt, waren ja ein Leben lang Kriminalbeamter … Sie schwören mir, keinem anderen etwas von dem zu erzählen, was ich Ihnen jetzt anvertrauen will … Mit der Bitte um Hilfe …«
Mannhardt zuckte zusammen. Kam jetzt das Geständnis, dass der Arzt und Psychiater jemanden ermordet hatte? »Ja, natürlich werde ich nicht … Ich bin ja nicht mehr im Dienst.« Trotzdem: Mitwisser einer Bluttat werden wollte er auch nicht.
Nachdem auch Orlando sein Schweigen zugesichert hatte, platzte Dr. Narsdorf damit heraus, dass er erpresst werde.
Fast hätte Mannhardt ausgerufen: Na, wenn es weiter nichts ist!, und gesagt, dass er für dieses Delikt nicht zuständig sei. Er konnte sich jedoch gerade noch bremsen und fragen, weshalb und von wem.
»Weshalb?« Dr. Narsdorf sah sich um und antwortete erst, als er sich vergewissert hatte, dass niemand mithören konnte. »Jemand ist auf meine Festplatte vorgedrungen und hat herausbekommen, wer bei mir wegen was in Behandlung ist. Kommt das heraus, ist das tödlich für mich, das heißt, ich kann meine Praxis schließen. Wer würde noch zu mir kommen, wenn er weiß, dass alles, was er mir anvertraut, am nächsten Tag in der Zeitung stehen kann?«
»Das ist ja weniger schön …« Mannhardt überlegte. »Sie wissen ja, dass auch der genialste Erpresser ein Problem hat, das so unlösbar ist wie die Quadratur des Kreises: Er muss bei der Übergabe des Geldes aus der Deckung hervorkommen – und in dem Moment kann man ihn schnappen.«
»Es sei denn, der Erpresser hat nichts zu verlieren. Ich kann aber alles verlieren, wenn die Sache öffentlich wird. In diesem Falle ist Diskretion alles, und ich kann auch in keinem Fall die Polizei einschalten. Das wäre Selbstmord für mich. Darum dachte ich ja auch, dass Orlando und Sie als eine Art Privatdetektiv die Sache für mich …?«
»Ich danke Ihnen für das Vertrauen in mich und meine Produkte«, sagte Mannhardt mit nicht allzu großer Begeisterung. »Aber …« Er besann sich. Es war immer gut, mit einem Mediziner befreundet zu sein: die Wartezeiten in den Praxen und Krankenhäusern verkürzten sich dadurch für einen Kassenpatienten mindestens um 90 Prozent. »Wie ist der Erpresser an Sie herangetreten?«
»Ich habe einen Brief bekommen und die Kopie einer Krankengeschichte.«
»War der Brief ganz normal ausgedruckt oder aus Zeitungsbuchstaben zusammengesetzt?«, fragte Orlando.
»Alles ganz normal ausgedruckt.«
»Und wessen Krankengeschichte war das?«, wollte
Mannhardt
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