Propaganda
man sie vielleicht überzeugen, Abendkleider zu tragen, die hinten lang sind. Die Öffentlichkeit ist keine willenlose Masse, die man nach Belieben formen und kneten kann. Wirtschaftsunternehmen und Öffentlichkeit haben ihren jeweils eigenen Charakter, die man irgendwie zur friedlichen Übereinkunft bringen muss. Konflikte und Verdächtigungen sind für beide Seiten schmerzlich. Moderne Unternehmen müssen erforschen, zu welchen Bedingungen eine freundschaftliche Partnerschaft, die beiden Seiten nutzt, möglich ist. Sie müssen über sich und ihre Ziele Auskunft geben, und zwar in Formulierungen, die verständlich und akzeptabel für die Allgemeinheit sind.
Wirtschaftsunternehmen lassen sich nur ungern von der Öffentlichkeit an die Leine legen. Umgekehrt sollten sie auch nicht erwarten, dass die Öffentlichkeit sich von ihnen am Gängelband führen lässt. Während die Öffentlichkeit auf der einen Seite wohlwollend zur Kenntnis nehmen sollte, welche ökonomischen Vorteile ihr die Wirtschaft dank Serienfertigung und strategischem Marketing zu bieten vermag, sollte die Wirtschaft auf der anderen Seite anerkennen, dass die Öffentlichkeit immer differenzierter urteilt. Sie muss bemüht sein, die Ansprüche der Konsumenten zu verstehen und zu erfüllen. Das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Öffentlichkeit kann nur gesund sein, wenn es von gegenseitigem Geben und Nehmen geprägt ist.
Aufgrund dieser Umstände und Sachzwänge ist das Fachgebiet der Public Relations entstanden. Wirtschaftsunternehmen wenden sich an PR-Spezialisten, die sie beraten und die ihre Absichten der Öffentlichkeit vermitteln sollen. Bei Bedarf schlagen diese Experten Anpassungen vor, um dabei den Wünschen und Bedürfnissen der Öffentlichkeit zu entsprechen.
Die notwendigen Maßnahmen können wesentliche Grundfragen, aber auch scheinbar belanglose Details betreffen. Im einen Fall muss vielleicht die komplette Produktpalette ausgetauscht werden, um wieder den Geschmack des Publikums zu treffen. In einem anderen liegt die Lösung womöglich in einer Kleinigkeit wie der Arbeitskleidung der Angestellten. Ein Juweliergeschäft beklagt sich vielleicht darüber, dass die mittelständische Kundschaft ausbleibt, weil es den Ruf hat, sehr teure Produkte anzubieten. Der PR-Berater könnte in diesem Fall vorschlagen, auch Produkte des mittleren Preissegments ins Angebot zu nehmen, sogar wenn damit kein Gewinn zu machen ist – nicht so sehr, weil das Unternehmen mittelpreisige Ware verkaufen will, sondern weil ein gewisser Prozentsatz der Kunden, die jetzt im mittleren Preissegement kaufen, in zehn Jahren wohlhabend sein und teure Produkte kaufen wird. Ein Kaufhaus, das sich im oberen Segment etablieren will, muss sich vielleicht überlegen, Angestellte mit höherem Schulabschluss einzustellen oder bekannte Künstler für das Dekorieren der Schaufenster oder spezielle Ausstellungen zu engagieren. Vielleicht muss eine Bank eine Filiale auf der Fifth Avenue eröffnen; nicht etwa, weil der Umsatz dort die Kosten rechtfertigen würde, sondern weil die Adresse in der Fifth Avenue das nötige Prestige verleiht, um die anvisierte Kundschaft zu gewinnen. Und aus dem gleichen Grund sind ein höflicher Portier an der Tür und ein blitzblanker Fußboden genauso wichtig wie ein fachlich kompetenter Filialleiter. Doch der positive Prestigeeffekt dieser Filiale kann schon wieder dahin sein, wenn die Ehefrau des Bankchefs in einen Skandal verwickelt werden sollte.
Großunternehmen prüfen jede Handlung darauf, ob sie mit der Firmenidentität übereinstimmt. Mit allen Äußerungen, von der direkten Werbebotschaft bis hin zum winzigsten ästhetischen Detail, wollen sie der Öffentlichkeit etwas über die Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen mitteilen. Ein Laden, der große Mengen billiger Produkte absetzen will, wird dem Publikum gebetsmühlenartig die aktuellen Preise herunterleiern und im Interesse seiner Kunden wenig Geld für sein Erscheinungsbild ausgeben. Ein Laden, der mit individuellen Produkten eine hohe Marge erwirtschaften will, wird sich dagegen elegant und vornehm präsentieren, zum Beispiel mit einer Gemäldeausstellung alter Meister oder durch die wohltätigen Aktivitäten der Gattin des Inhabers.
Die PR-Aktivitäten eines Unternehmens können nicht als Feigenblatt für die wirklichen Absichten des Unternehmens dienen. Es ist ökonomisch wie moralisch schlecht, wenn nur einige wenige hochwertige Produkte angeboten werden, ansonsten aber nur
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