Propaganda
günstig die Umstände – wenn die öffentliche Meinung Ihnen nicht wohlwollend gegenübersteht, werden Sie verlieren.« Das meint jedenfalls Samuel Insull, einer der wichtigsten Transportunternehmer des Landes. Und der verstorbene Judge Gary, ehemaliger Chef des Stahlherstellers U.S. Steel, vertrat die gleiche Ansicht: »Um konstruktiv zu expandieren, ist man auf das Wohlwollen der Öffentlichkeit angewiesen, ein schwer greifbares Etwas. Der Versuch, diesen flüchtigen Aspekt zu ignorieren, führt geradewegs in den Ruin .«
Die Gesellschaft ist nicht mehr grundsätzlich gegen große Firmenfusionen eingestellt. Sie findet sogar, dass Unternehmen durch die Kartellbehörde Federal Trade Commission zu sehr bevormundet werden. Wenn der Eindruck entsteht, dass das Gesetz gegen die Kartellbildung den wirtschaftlichen Fortschritt behindert, möchte die Öffentlichkeit es lieber aufgehoben sehen. Heute werden Fusionen und die Bildung von Großkonzernen befürwortet, die noch vor zehn Jahren vehement abgelehnt worden wären. Und weil die repräsentative Regierungsform die Meinung des Volkes widerspiegelt, lässt die Regierung nun große Zusammenballungen von Produktions- und Vertriebseinheiten zu , wie sich bei den Zusammenschlüssen von Eisenbahngesellschaften mit öffentlichen Versorgern zeigt. Die öffentliche Meinung begrüßt das Entstehen solcher Mammutkonzerne, in den Augen der vielen Aktienbesitzer sind es keine Ungeheuer mehr, sondern freundliche Riesen. Die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen der Massenproduktion geben sie schließlich an den Verbraucher weiter. Dieser Meinungswandel ist großteils eine Folge von Propaganda im weitesten Sinne. Man erreichte das Ergebnis nicht nur, indem man die Meinung der Öffentlichkeit beeinflusste, so wie die Regierungen im Krieg die Einstellung der Völker gezielt manipulierten, sondern auch durch das Verhalten der Unternehmen selbst. Eine Zementfabrik arbeitet jetzt unentgeltlich mit der Straßenbaubehörde zusammen und hält Testlabors bereit, damit der Öffentlichkeit bestmögliche Straßen zur Verfügung gestellt werden können. Ein Gasunternehmen betreibt eine kostenlose Kochschule.
Dass die öffentliche Meinung im Moment auf die Seite des Big Business übergeschwenkt ist, heißt aber noch lange nicht, dass sie dort für immer bleiben wird. Erst kürzlich hat W. Z. Ripley, ein Professor der Universität Harvard und eine landesweit anerkannte Autorität in Fragen der Wirtschaftsordnung, bestimmte Aspekte aufgezeigt, die das Vertrauen der Menschen in Großunternehmen untergraben könnten. Er wies darauf hin, dass die angebliche Macht der Aktionäre eine Illusion sei; dass Jahresberichte der Unternehmen oft so knapp und pauschal verfasst sind, dass sie den Mann auf der Straße eher irreführen als informieren, und dass die Ausdehnung des Systems der nicht-stimmberechtigten Aktien die Macht über die Aktiengesellschaft in Wirklichkeit in die Hände einer kleinen Gruppe von Anteilseignern legt; und dass manche Konzerne sich weigern, Informationen herauszugeben, die der Öffentlichkeit erst ein wahrheitsgetreues Bild vermitteln würden.
Und wie wohl gesonnen die Öffentlichkeit Großunternehmen im Allgemeinen auch sein mag: Die Versorger bleiben eine bevorzugte Zielscheibe öffentlichen Zorns. Sie müssen sich mit größter Sorgfalt und Umsicht um das Wohlwollen der Öffentlichkeit bemühen. Solche und andere Unternehmen von halb-öffentlicher Beschaffenheit müssen immer damit rechnen, dass der Ruf nach Verstaatlichung ertönt, wenn Attacken wie die von Professor Ripley sich fortsetzen und womöglich sogar auf allgemeine Zustimmung treffen – es sei denn, man ändert die Umstände und pflegt alle möglichen Kontakte mit der Öffentlichkeit mit großer Sorgfalt.
Solche Meinungsbewegungen sollte der PR-Berater vorhersehen und darin beraten, wie sie abzuwenden sind. Entweder, indem er die Öffentlichkeit davon überzeugt, dass die Befürchtungen und Vorurteile ungerechtfertigt sind, oder durch eine Änderung im Verhalten des Unternehmens, die gerade so weit geht, dass die Ursache des Unmuts beseitigt wird. In diesen Fällen werden die Meinung der Öffentlichkeit erforscht und die Kernpunkte des öffentlichen Widerstands identifiziert. Bei einer Analyse der Situation wird festgestellt, welche Probleme durch logische Argumentation gelöst werden können, ob die Kritik oder das Vorurteil auf eine gewohnheitsmäßige Gefühlsreaktion zurückzuführen sind, und welche
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