Propaganda
der wir so oft hören, hängt ziemlich sicher damit zusammen, dass der Politiker nicht weiß, wie er mit den Gesetzmäßigkeiten der öffentlichen Willensbildung umzugehen hat. Er ist nicht in der Lage, sich selbst und sein Programm so in Szene zu setzen, dass es für die Wähler relevant wird. Weil er dem Fehlurteil anhängt, der Anführer müsse sklavisch dem Willen des Volkes folgen, vermeidet er in seinen Wahlkämpfen alle Dramatik. Ein solcher Roboter ist nicht in der Lage, die Menschen zu begeistern – ein echter Anführer, ein Kämpfer, ein Diktator kann das. Aber unter den derzeitigen politischen Bedingungen muss jeder, der ein Amt anstrebt, den Massen nach dem Mund reden. Unter diesen Umständen kann der geborene Führer nur mit den Mitteln professioneller Propaganda erfolgreich regieren.
Egal ob es darum geht, in ein Amt gewählt zu werden, neue Themen ins Gespräch zu bringen oder um das Problem, das politische Tagesgeschäft so interessant zu machen, wie es für das gesellschaftliche Zusammenleben wichtig ist – sorgfältig auf die Bedürfnisse der Massen zugeschnittene Propaganda ist essenzieller Bestandteil der Politik.
Der erfolgreiche Geschäftsmann von heute eifert dem Politiker nach. Er hat das Brimborium der Wahlkämpfe übernommen und hält Bankette ab, bei denen er, der Patriarch, mit einem bunten Strauß aus pseudo-staatsmännischen Reden, Flaggen und Bombast gefeiert wird. Von Zeit zu Zeit verleiht er Urkunden an Mitarbeiter, genauso wie die Republiken des Altertums verdiente Bürger auszeichneten.
Aber das ist bloß die Begleitmusik, mit der der Auftritt der großen Unternehmen als Förderer des Gemeinwohls untermalt wird; nur eine von vielen Methoden, wie sie ihre Angestellten, Aktionäre und die Konsumenten an sich binden wollen. Sie unterstützt die Kernfunktion der Unternehmen, das Herstellen und Verkaufen von Waren an die Massen nämlich. Die wichtigste Aufgabe besteht jedoch darin, die Massen genau zu analysieren, dann auf Basis der erzielten Erkenntnisse Waren zu produzieren, und alle Möglichkeiten, das Publikum anzusprechen, wirksam zu nutzen.
Und so dienen bei den politischen Kampagnen von heute alle Ehrungen, der Pomp, der Glitter und die Reden größtenteils nur zur Dekoration der eigentlichen Herausforderung: die Haltung der Öffentlichkeit zu erkunden und sie dann gezielt über die Partei, ihren Kandidaten, ihr Programm und ihre Leistungen zu informieren, das heißt die gewünschten Ideen und Produkte zu verkaufen.
Die Politik war das erste Big Business in Amerika. Deshalb liegt eine gewisse Ironie darin, dass die Wirtschaft zwar alles von der Politik gelernt hat, die Politik aber nichts aus den Methoden der Wirtschaft zur Verbreitung von Ideen und Produkten an die Massen.
Die demokratische Politikerin Emily Newell Blair hat im Independent am Beispiel einer Redetournee, an der sie selbst teilnahm, beschrieben, wie auf typische Weise Energie und Geld verschwendet werden. Laut eigener Schätzung haben sie und ein Senator auf einer fünftägigen Reise, die sich über fast 1.000 Meilen erstreckte, gerade einmal 1.105 Personen erreicht, deren Meinung sich aufgrund ihrer Bemühungen geändert haben könnte. Ausgehend von einer sehr gemäßigten Einschätzung der dafür eingesetzten Zeit kam sie auf Kosten von 15,27 Dollar für jede Stimme, die durch die Kampagne gewonnen wurde.
Die Reise war ihrer Auffassung nach nichts anderes als »Werbung um Wahlstimmen, so wie Ivory-Seife um Käufer wirbt .« Aber, so ihre Frage, »was würde ein Geschäftsführer seinem Verkaufsleiter sagen, der einen teuren Redner losschickt, um weniger als 1.200 Zuhörern etwas über sein Produkt zu erzählen – zu Kosten von 15,27 Dollar pro potenziellem Käufer ?« Sie findet es »faszinierend, dass dieselben Männer, die ihre Millionen mit klug geplanten Kampagnen für Seife, Anleihen und Autos verdient haben, gleichzeitig große Summen Geld für völlig antiquierte und ineffiziente Wahlkampagnen spenden .«
Warum sich Politiker nicht der ausgefeilten Methoden bedienen, die in der Industrie verwendet werden, ist allerdings unverständlich. Ein Politiker kennt sich vielleicht mit politischen Strategien aus, kann Wahlkampfthemen, tragfähige Programme und Visionen entwickeln. Aber das heißt noch lange nicht, dass man es ihm auch überlassen sollte, seine Ideen einem Volk, so groß wie das der Vereinigten Staaten, zu verkaufen.
Der Politiker versteht die Bevölkerung. Er weiß, was sie will und was
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