Propaganda
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Gesellschaftlicher Fortschritt besteht also einfach in besserer Aufklärung und Bildung der Öffentlichkeit im Hinblick auf unmittelbar anstehende oder künftig zu erwartende gesellschaftliche Probleme.
Kunst und Wissenschaft
Propaganda spielt eine große Rolle, wo es darum geht, der amerikanischen Bevölkerung ein tieferes Verständnis von Kunst zu vermitteln. Wenn eine Galerie die Werke eines Künstlers zeigt, sollte sie erst versuchen, Akzeptanz für ihn herzustellen. Um das Wohlwollen der Öffentlichkeit zu sichern, muss gezielt mit Propaganda gearbeitet werden.
In der Kunst wie in der Politik herrscht die Minderheit, aber sie übt ihre Herrschaft aus, indem sie auf die Öffentlichkeit zugeht, die Anatomie der öffentlichen Meinung erkennt und nutzt.
Propaganda verschafft dem Künstler in der angewandten wie in der kommerziellen Kunst mehr Möglichkeiten als je zuvor. Das hängt mit dem schon erläuterten Umstand zusammen, dass die Massenproduktion in eine Sackgasse gerät, wenn sie nur über den Preis konkurriert. Sie muss deshalb in vielen Bereichen einen Wettbewerb in ästhetischen Kriterien schaffen, und viele Branchen machen sich den menschlichen Sinn für das Schöne zunutze, um ihre Märkte und Margen auszuweiten. Mit anderen Worten: Der Künstler hat eine Chance, mit der Industrie zusammenzuarbeiten. Er kann den Massengeschmack verbessern helfen, indem er schöne statt hässliche Gegenstände des täglichen Bedarfs gestaltet, und dafür winken ihm noch Anerkennung und Geld.
Die Rolle der Propaganda besteht in dem Fall darin, zu erklären, was schön ist und was nicht. So kann die Industrie definitiv dazu beitragen, das kulturelle Niveau Amerikas zu heben. Dabei wird die Propaganda sich natürlich auf die Führer der sozialen Gruppen stützen, deren Geschmack und Meinung Gewicht hat.
Die Öffentlichkeit muss durch die Verknüpfung von Werten wie auch durch dramatische Inszenierungen für ein Thema interessiert werden. Neue Quellen der Ästhetik müssen für das Publikum attraktiv gemacht werden, indem man sie mit Werten in Verbindung bringt, auf die die Öffentlichkeit anspricht.
Nach diesem Prinzip werden Märkte für Seide aus amerikanischer Produktion entwickelt, indem man in Paris Inspiration sucht. Paris verleiht der amerikanischen Seide Autorität, womit dem Produkt in den USA zu einer besseren Position verholfen wird. Ein Zeitungssausschnitt aus der New York Times vom 16. Februar 1925 berichtet von einem derartigen Vorgang:
»Paris, 15. Februar. Zum ersten Mal in der Geschichte werden amerikanische Kunstgegenstände in der Abteilung ›Dekorative Kunst‹ im Pariser Louvre ausgestellt.
Die Ausstellung, die am 26. Mai unter der Schirmherrschaft des Kunstministers Paul Leon eröffnet wird, enthält auch Seidenwaren der Firma Cheney Brothers (South Manchester und New York), deren Gestaltung vom berühmten französischen Bildhauer Edgar Brandt inspiriert ist, dem modernen Bellini, der aus Eisen so wunderbare Kunstwerke erschafft.
Brandt gestaltete die monumentalen Eisentore der Gedenkstätte in Verdun. Er wurde um seine Teilnahme an der Ausstellung gebeten, um Frankreich die Errungenschaften amerikanischer Industriekunst nahe zu bringen.
Dreißig Gestaltungslinien nach Edgar Brandts Werken werden auf mehr als zwei Kilometern Seidenstoff, Rauschgold und Samt in hundert Farben erstrahlen.
Diese ›prints ferronieres‹ sind die ersten Textilien, die den Einfluss des modernen Meisters Edgar Brandt zeigen. Die seidenen Gewebe sind eindrucksvoll komponiert. Charakteristische Brandt-Motive wurden von Cheney in die großflächigen Muster eingearbeitet und stellen eine eindrucksvolle Übersetzung des Werkstoffs Eisen in Seide dar, eine Aufgabe, die eigentlich unlösbar erscheint. Stärke und Brillanz der ursprünglichen Muster werden durch die Schönheit und Wärme des farbigen Materials noch verstärkt .«
Die feierliche Eröffnung hatte zur Folge, dass die wichtigen Kaufhäuser in New York, Chicago und anderen Städten baten, die Ausstellung übernehmen zu dürfen. Sie versuchten, den Geschmack des Publikums nach den von Paris gutgeheißenen Vorstellungen zu formen. Die Seide der Brüder Cheney – ein in Massen hergestelltes, kommerzielles Produkt – errang öffentliche Wertschätzung, weil man sie mit der Arbeit eines bekannten Künstlers und mit einem weltberühmten Kunstmuseum in Verbindung brachte.
Das gleiche Prinzip ist auf fast jedes kommerzielle Produkt
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