Propaganda
Bezeichnung erstmals 1622, als Papst Gregor XV. angesichts der Gefahr eines sich gewaltig ausbreitenden Protestantismus eine neue Institution innerhalb der römischen Kurie schuf: die »Congregatio de Propaganda fide«, ein Amt zur Propagandierung des (richtigen) Glaubens, deren Name im Zweiten Vatikanischen Konzil 1967 in »Kongregation für die Evangelisierung der Völker« umbenannt wurde. Diese neue Institution sollte über die missionarischen Bemühungen der Kirche in der ganzen Welt wachen: »Sie ist zuständig für alle Belange, die die Verbreitung des Glaubens in der Welt betreffen .« Über das Schaf, das verloren durch die Welt irrt, schrieb Gregor XV:
»Es ist wünschenswert, dass sie, beseelt von der göttlichen Gnade, nicht länger von einem Irrglauben zum nächsten streunen, über die öden Weiden der Treulosigkeit, vergiftetes und gar Tod bringendes Wasser trinken, sondern auf die Weiden des wahren Glaubens gelangen, zu einer Heilslehre zusammenfinden und zu den Quellen des Lebens geführt werden.« 1
Die Bezeichnung »Propaganda« hat ihre strenge katholische Aura weit bis ins 19. Jahrhundert behalten; und oft, wenn jemand den römisch-katholischen Ursprung des Wortes betonte, war dies negativ gemeint. »Abgeleitet aus der Congregatio de Propaganda fide wird der Begriff Propaganda im modernen politischen Dialog als Vorwurf gebraucht gegenüber dem Verbreiten von Meinungen und Prinzipien von Geheimbünden, die bei den meisten Regierungen Schrecken und Ablehnung auslösen«, schrieb der britische Chemiker William Thomas Brande im Jahr 1842. 2 »
Auch wenn man damals mit Propaganda etwas Düsteres bezeichnen konnte, rief das Wort doch noch nicht reflexartig die Vorstellung eines subversiven Lügenkomplotts hervor, dafür war es schlicht zu wenig bekannt. Das ist erst seit den 1920er Jahren so. Und daraus zog der Vatikan die Konsequenz und benannte seine Congregatio 1967 um. In seinen English Traits von 1856 verwendet Ralph Waldo Emerson das Adjektiv »propagandistisch« ohne jede Anspielung auf eine verstohlene Verbreitung eines wie auch immer als schädlich angesehenen Glaubens oder einer Überzeugung. Er beschreibt die Briten als »immer noch aggressiv und propagandistisch in der Art, wie sie ihre Meisterschaft in der Kunst und der Freiheit beherrschen .« Hier bedeutet Propaganda also nicht Unterwanderung, sondern steht für die höchste Form der Aufklärung:
»Ihre Gesetze sind gastfreundlich, und die Sklaverei gibt es bei ihnen nicht. Jede Form der Unterdrückung ist zufällig und vorübergehend, ihr Erfolg ist nicht abrupt oder dem Zufall geschuldet. Sie haben sich ihre Ausdauer und ihre Selbstbestimmung über viele Zeitalter hinweg erhalten. 3 «
Bis zum Ersten Weltkrieg wurde Propaganda nicht abwertend, sondern viel eher neutral verwendet. So gibt beispielsweise das Oxford English Dictionary diese unaufgeregte (und sehr richtige) Definition von Propaganda: »Jede Vereinigung, systematische Absprache oder organisierte Bewegung zur Propagierung einer bestimmten Doktrin oder Praxis .« So wurde Propaganda nicht als Instrument zur Verbreitung von »Hass und Schrecken« in den Köpfen von Bürokraten wahrgenommen, sondern als Plan, dessen Ziele abscheulich oder schädlich sein konnten, aber ebenso gut nützlich und positiv – je nach Autor und dessen Ziel (und je nach Standpunkt des Wahrnehmenden natürlich). Eine Kampagne für die Verbesserung der Situation im Gesundheitswesen, für Impfungen, gesündere Ernährung und die Einrichtung von Spucknäpfen war genauso ein Propaganda-Feldzug wie eine antiklerikale, sozialistische oder nationalistische Kampagne. Dieses Wissen wurde von all jenen geteilt, die das Wort verwendeten. Zum Synonym für fettgedruckte Lügen wurde es erst, als die Alliierten das Wort der britischen und US-amerikanischen Bevölkerung beibrachten. Bis dahin war Propaganda als Begriff so unwichtig, dass er der Encyclopedia Britannica von 1911 noch nicht einmal einen Eintrag wert war.
Der Krieg hatte vielschichtige Auswirkungen auf das Ansehen von Propaganda. Obwohl Propaganda von Regierungen, wenn auch unter anderem Namen, jahrhundertelang eingesetzt worden war (Napoleon gilt als besonders gewiefter Anwender), so war es bis 1915 nicht üblich, dass Regierungen systematisch die gesamte Armada der modernen Medien einsetzten, um ihren Bürgern nationalen Fanatismus einzupeitschen. Den Regierungen gelang es sogar, eine Massenbegeisterung für einen Krieg
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