Prophetengift: Roman
gut, Gott ist gut.«
»Sie verstehen also, was er damit sagen wollte?«
» Si «, erklärte Ramon. »Wir haben einen schönen schwarzen Hund, der jetzt auch schon ein bisschen in die Jahre gekommen ist, wie wir alle. Er hatte eine prachtvolle, stolze Rute, die er beim Gehen hochhielt wie ... auf einer Parade. Und wenn ich von der Arbeit nach Hause kam, lag Rupert auf dem kühlen Holzfußboden, wedelte und trommelte mit dem Schwanz auf den Boden, die glücklichste Trommel auf der Welt.«
»Was geschah dann?«, fragte Sebastian.
»Er, unser Rupert, hatte so etwas wie Krebs, aber nicht an der Rute, und es wollte nicht abheilen, weil er immer so glücklich mit seiner Rute auf den Boden schlug, also musste der Tierarzt sie ihm abnehmen. Es war furchtbar, aber es war die einzige Möglichkeit, die Infektion zu heilen. Aber dieses Trommeln ... es war die Musik unseres Hauses gewesen. Ruperts Schwanztrommeln signalisierte, dass ein Freund gekommen war, so wie sein Bellen uns sagte, dass ein Feind an der Tür war. Es fehlte mir, dieses Trommeln, wenn ich von der Arbeit nach Hause kam, ich vermisste es wie meinen eigenen Herzschlag, bis ich sah, dass Rupert immer noch wedelte ... mit dem Schwanzstumpf. Er war noch glücklich, mich zu sehen, genau wie früher, und er zeigte es mir immer noch, ich konnte es nur nicht mehr hören.«
Sebastian spürte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen. »Also als Mateo sagte: ,Ich wedle immer noch, du kannst mich nur nicht mehr hören‹, meinte er damit, dass er immer in eurer
Nähe sein wird?«
Ramon nickte und putzte sich mit einem alten blauen Taschentuch die Nase. » Si, mi amigo «, sagte er und schaute Sebastian mit seinen blutunterlaufenen Augen an. »Mein Sohn ist jetzt bei Gott und auch bei uns. Und meine Maggie und ich, wir werden ihn bald sehen.«
»Entschuldigen Sie«, sagte die Krankenschwester zu Sebastian, »aber Ihre Mutter ist mit ein paar Personenschützern eingetroffen, sie ist jetzt unten in der Tiefgarage, und oben wartet eine junge Frau auf Sie. Wir brauchen den Platz hier in der ITS, also können wir Sie jetzt vielleicht in Ihr Zimmer zurückbringen?«
»Können Sie Bescheid sagen, dass ich in ein paar Minuten oben bin?« Sebastian wandte sich an Ramon. »Kommen Sie noch hoch und verabschieden sich, bevor Sie fahren?«
»Nein.« Ramon schüttelte den Kopf. »Ich muss meine Frau suchen, und wir werden uns jetzt verabschieden, denn diese Nacht und dieser Tag haben sie sehr mitgenommen – ebenso wie Tessita, obwohl sie es nie zugeben wird. Ich muss die Damen nach Hause bringen und es ist eine lange Fahrt von hier.«
»Natürlich. Oh! Mateo hat noch gesagt, wie sehr er Sie und Maggie liebt.«
Ramon lächelte wehmütig. »Das ist das, worauf es im Leben ankommt – die Liebe und Zuneigung, die wir füreinander empfinden.« Er schaute Sebastian tief in die Augen und legte ihm die Hand auf die Schulter, und dann zog er behutsam das Laken hoch und breitete es über Mateos bandagierten Kopf. »Er hätte Sie gern in diesem Leben kennengelernt.«
»Und ich hätte ihn gern kennengelernt«, entgegnete Sebastian.
»Bitte besuchen Sie uns doch auf dem Weg zurück nach L.A. Ich verspreche, ich werde Sie nicht zwingen, auf irgendwelche Dächer zu klettern, und es wäre schön, wenn Sie zum Mittagessen
kämen.«
Sebastian lächelte. »Das würde ich sehr gern.«
»Adios«, sagte Ramon.
»Adios.«
Als Sebastian dem gebeugten Mann nachschaute, der sich umdrehte und durch die Automatiktüren schlurfte, wurde er von einer stummen Panik ergriffen und Mateos letzte Worte hallten in seinem Kopf wider:
»Und denk daran, von jetzt an musst du auf der Hut sein – aber das wirst du dir ja schon gedacht haben. Bis bald.«
44
Mittwochabend
Olivier schaltete die Nachrichten aus und schleuderte die Fernbedienung des Fernsehers durch den Raum. Sie zerschellte an der hinteren Wand.
»Verdammte Scheiße!«
Es hatte aussehen sollen wie ein Unfall, so hatten Amber und er es geplant. Sie sollte warten, bis alles neblig war und dann vorgeben, ihre Unvorsichtigkeit und überhöhte Geschwindigkeit wären auf Panik und Unerfahrenheit zurückzuführen. Und jetzt hatten mehrere Augenzeugen dem Fernsehreporter berichtet, der Schiffsführer des Kajütboots habe Sebastian Blacks winzigen Motorkreuzer absichtlich und bei bester Sicht gerammt; der Nebel war zu dem Zeitpunkt zwar bereits aufgezogen, es gab aber noch keinerlei Sichtbehinderungen. Die belastendste Zeugenaussage kam von
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