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Prophetengift: Roman

Prophetengift: Roman

Titel: Prophetengift: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Nolan
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Folgen eines Selbstmordattentats erlebt? Oder Bilder von einer AIDS-Station in Afrika gesehen oder von Waisenhäusern in Rumänien oder einem Massengrab in Darfur oder eine öffentliche Hinrichtung ... oder auch nur das Innere eines Pflegeheims, eines Schlachthofs oder einer illegalen Hundezucht?«
    Reed schaute weg. »Nein. Und ich will es auch nicht.«
    »Aber das ist es doch gerade! Du willst nichts von diesen Dingen wissen, du willst sie nicht sehen, weil es verdammt deprimierend ist, und wir achten darauf, dass wir diese Schrecken nicht zu sehen bekommen, denn wenn wir es täten, bekämen wir die Bilder nicht mehr aus dem Kopf. Und der Gedanke, gegen die Kräfte angehen zu sollen, die von diesem Elend zehren, macht mir Angst. Es ist eine Überforderung, Reed, es ist eine absolute Überforderung.«
    »Natürlich kannst du nicht alle diese Probleme lösen, aber du könntest mit einem anfangen.«
    »Du weißt nicht, was das mit mir macht, hier drin.« Sebastian klopfte auf seine Brust. »Das ist einer der Flüche, mit denen ich lebe. Ich kann den Schmerz anderer Menschen buchstäblich am eigenen Leib fühlen . Wusstest du, dass ich heute beim Essen Libbys Krebs spüren konnte?«
    »Das hast du? Wie denn?«
    »Nicht so stark, wie sie es fühlt, natürlich, aber ich habe tatsächlich Schmerzen empfunden, als ich ihr die Butter reichte. Und es dauerte eine Sekunde, bis mir klar wurde, dass das, was ich in meinem Körper spürte, die geschwollenen Lymphknoten in ihrem Arm und die Operationsnarben waren, die spannten, als sie nach der Butter griff.« Er schaute Reed in die Augen.
»Ich glaube, früher war ich so mit mir selbst beschäftigt, dass ich nie Empathie empfunden habe. Doch nun, wo ich es kann, fange ich auch an, das Unglück anderer Menschen mitzuempfinden. Kannst du dir vorstellen, was passieren würde, wenn ich nach Afrika oder in den Nahen Osten ginge oder auch nur in ein Pflegeheim? Ich würde verrückt werden!«
    Reed dachte eine Weile nach. »Na, dann gibt es nur eins, das du tun kannst.«
    »Bitte sag es mir.«
    »Sammle Geld«, sagte sie. »Das ist etwas, was du richtig gut kannst, oder?«
    »Ja, vermutlich.«
    »Vielleicht könntest du ja eine neue Stiftung gründen und auf Tour gehen, um Geld für diese Anliegen zu sammeln, damit andere Leute – Leute, die in der Lage sind, das zu verkraften – tun können, was sie am besten können, ohne sich Gedanken über die Finanzierung machen zu müssen.«
    »Das ist so ziemlich genau das, was Kitty vorhin zu mir gesagt hat.«
    Reed nahm seine Hand. »Was heißt, dass sie sich nicht gegen dich stellen würde.«
    »Nicht, solange ich ihr einen großen Batzen des Geldes zukommen lassen würde.«
    »Aber wie viel du ihr gibst, ist doch jetzt einzig und allein deine Sache, oder? Ich glaube, Kitty hat kapiert, wer hier wen braucht.«
    »Du hast recht. Aber wenn ich auf Tour ginge, könnte ich Tess und Libby oder Ramon nicht helfen. Und wir beide würden uns nicht mehr sehen.«
    »Hör zu, Sebastian, im Juni bin ich mit dem College fertig, und dann könnte ich vielleicht herkommen, um den beiden zu helfen – du weißt schon, so lange, bist du zurückkommst. Dann wäre das Hotel dein Basislager und nicht mehr dieses
Penthouse, das aussieht wie eine Leichenhalle und nach Zigarettenqualm stinkt.«
    »Hast du Tess und Libby wirklich gern genug, um das für sie zu tun?«
    »Klar, sie sind wunderbar. Ich war allerdings vorher ziemlich nervös.«
    »Warum?« Sebastian zupfte an ihrer Hand, und sie blieben stehen, um einander anzuschauen.
    »Weil sie dir so wichtig sind«, erklärte Reed. »Und weil du mir wichtig bist.«
    »Ich hatte gehofft, du würdest sagen, dass ich dir mehr als nur wichtig bin ...«
    Reed lachte. »Natürlich bist du mehr als nur wichtig für mich. Du bist schließlich mein Freund.«
    Sie standen sich gegenüber, sehr nah, und Sebastian sagte: »Reed, ich liebe dich auch. Du brauchst also keine Angst zu haben, irgendetwas zu sagen oder zu empfinden, das ich nicht auch empfinde.«
    Reed hob den Blick zu ihm auf. »Ja, ich liebe dich. Aber in den letzten Monaten habe ich versucht mir einzureden, dass ich das nicht tue, weil ich Angst hatte. Klingt, als wäre ich noch in der siebten Klasse, was?«
    »Ich hatte auch Angst. Vor ziemlich vielen Dingen. Aber vor meinen Gefühlen für dich nie.« Sebastian zog sie an sich und ihre Lippen berührten sich.
    In diesem Augenblick hatte Reed das Gefühl, eine Fackel wäre in ihr entzündet worden. Sie

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