Prophetengift: Roman
eine Welle der Übelkeit und er schaffte es gerade noch rechtzeitig ins Badezimmer.
Er zog die Spülung, spülte sich den Mund mit süßem Wasser aus dem Wasserhahn und taumelte zurück, um ihre Nachricht zu lesen:
Dy,
über gestern Abend reden wir später. Meine Quelle hat gehört, dass er zu einem Freund nach Sausalito fährt – Freitagabend steigt dort eine Riesenparty, und vielleicht
kommen wir rein, weil der Kumpel will, dass das Haus für die Paparazzi proppenvoll ist. Wir könnten uns sogar als Paparazzi ausgeben, was hältst du davon?
Er wird abgelenkt sein – viele heiße Typen und Mädels, jede Menge Gelegenheiten für uns. Wir fahren am besten morgen früh.
Melde dich, wenn du das liest.
Am
Das war genau das, worauf Amber gewartet hatte: eine Gelegenheit, ihm erneut nahe zu kommen. Dyson dachte kurz nach und tippte dann seine Antwort:
Am,
ich werde den heutigen Tag im Gebet verbringen und fasten. Ich bin der Versuchung erlegen. Tut mir leid, dass ich gestern Abend voll war. Das Treffen mit diesem Olivier hat mich ziemlich mitgenommen.
Ja, fahren wir nach Norden. Ich setz dich nachher ins Bild. Gott sei gepriesen!
Dy
Dyson schickte seine Mail ab. Dann wanderten seine Gedanken zum gestrigen Abend zurück. Auf dem Rückweg von Oliviers Chateau hatte er bei einem Spirituosenladen gehalten und sich eine Flasche billigen Wodka und zwei Dosen Red Bull gekauft. Zu Hause hatte er Amber mitgeteilt, er würde bis spät aufbleiben, um zu beten und das Bibelorakel zu befragen – was stimmte. Der Wodka beflügelte seine Fantasie, und Botschaften von Gott schienen mehr Sinn zu ergeben, wenn er nicht mehr nüchtern war.
Aber als die Nacht langsam verging, gelang es ihm nicht, der Bibel irgendwelche Antworten zu entlocken – er ging so vor,
dass er um Führung betete, einen Schluck Wodka trank, seine Bibel auf den Buchrücken stellte, sie aufklappen ließ und blind den Finger auf eine »göttlich inspirierte« Bibelstelle legte –, also vollführte er den Ritus immer wieder, bis er feststellte, dass er betrunken war.
Ich brauche Wasser – und Ibuprofen.
Er streifte seine Schuhe ab und trottete aus dem Wohnzimmer in die Küche, nahm ein Dr Pepper aus dem Kühlschrank, schüttelte zwei braune Tabletten aus einem Fläschchen, das im Schrank stand, in seine Hand und schluckte sie hinunter. Dann leerte er von dem Dr Pepper die halbe Flasche, legte sich wieder aufs Sofa, schloss die Augen und seufzte.
Wie konnte ich nur so dumm sein, mich von Olivier zum Trinken verführen zu lassen.
Aber Dyson wusste genau, warum er diese üble grüne Flüssigkeit runtergekippt hatte.
Er war nervös gewesen. Und eingeschüchtert.
Und tief drinnen, ganz tief drinnen, hatte er sich versucht gefühlt. Wahnsinnig versucht.
Weil Olivier schön war.
Schön wie ein Laufsteg-Model.
Schön wie ein Mann auf einer pornografischen Website.
Diese trägen Bewegungen, der prachtvolle Körperbau, diese schwülen Augen, sogar das tiefe Timbre seiner Stimme elektrifizierten Dyson von den Augäpfeln bis hinunter zu den Knöcheln.
Nein . Er legte die Hand auf seinen revoltierenden Bauch. Ich habe zu viel durchgemacht, um wieder so zu empfinden. Die neunzehn qualvollen Monate »reparativer Therapie« müssen doch irgendwas gebracht haben.
Er rief sich die Instruktionen seines Therapeuten für Situationen wie diese in Erinnerung: Sie müssen herausbekommen, was genau am Äußeren oder an der Persönlichkeit des Mannes Sie so anziehend
finden, denn diese Anziehung ist lediglich Neid auf Aspekte der Männlichkeit, die bei Ihnen unterentwickelt sind oder fehlen.
Dyson dachte an Oliviers athletischen Körperbau.
Ich könnte häufiger ins Fitnesscenter gehen.
Er stellte sich Oliviers bräunlichen Teint vor.
Ich könnte mich in die Sonne legen.
Er erinnerte sich an Oliviers Moschusduft.
Ich könnte mir ein Aftershave besorgen.
Er hatte Oliviers nachhallenden Bariton im Ohr.
Ich könnte ... versuchen männlicher zu klingen.
Er malte sich aus, wie Olivier mit katzenhafter Anmut und festen Schritten den Raum durchquerte, er sah die Bewegungen seiner breiten Schultern und der hohen, festen Pobacken vor sich.
Vielleicht war es Zeit für diesen Schwulen-Exorzismus, den Ambers Pastor empfahl.
Dyson erinnerte sich an den Rat, den der Mann ihm nach den ersten sechs Monaten erfolgloser Therapie gegeben hatte: »Ich glaube, in Ihrem Fall wäre nichts weniger als ein Schwulen-Exorzismus angebracht.«
»Was ist ein
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