Prophetengift: Roman
erklär’s dir, wenn wir uns sehen. Aber keine Sorge. Also dann bis Freitag.«
»Prohunni. Ich hab genau die richtigen Mädchen für dich und sogar ein paar Typen. Ich sag allen Bescheid, dass du kommst, dann hast du Hunderte zur Auswahl – oder du nimmst sie alle.«
»Oh Mann, bitte sag niemanden, dass ich komme. Okay? Ich verstecke mich. Ich erklär’s dir, wenn wir uns sehen. Es ist eine ziemlich ernste Sache.«
»Alles klar, Digger. Dein Geheimnis ist sicher.«
»Danke«, sagte Sebastian erleichtert. »He, wo willst du denn heute hin?«
»Mein Vater hat Geburtstag. Ich soll zu ihm auf die Yacht kommen, seine neue Frau und ihre Tochter sind auch da. Sie sieht ziemlich heiß aus, nach ihrem Online-Profil zu urteilen.
Ich muss nach Newport Beach fliegen, aber das ist es wert. Ich hoffe, ich habe ein paar gute Geschichten über meine neue ›Schwester‹ parat, wenn ich zurückkomme.«
»Klingt cool. Wir sehen uns dann also? Am Freitag, so gegen Nachmittag?«
»Ich fliege morgens zurück, also bin ich dann da, wenn du kommst. Ich freu mich.«
»Ja, ich auch.« Sebastian beendete den Anruf und fuhr an den Straßenrand, um sich einen Plan für die Zwischenzeit zu überlegen.
Sein Telefon klingelte. Er fragte sich, was Coby wohl vergessen hatte. Er griff nach dem Apparat und sah, dass Kitty anrief. Er ließ die Mailbox rangehen.
Der Motor des Porsche Cayenne lief erwartungsvoll im Leerlauf, während Sebastian überlegte, wo er hinsollte. Er zog in Erwägung, nach San Francisco weiterzufahren – aber dann würde er sich wahrscheinlich im Hotel verstecken müssen, bevor er zu Coby nach Sausalito fahren konnte. Da fiel ihm das schwarze Haarfärbemittel ein, das er bei der Tanke gekauft hatte: Wenn er sein Aussehen hinreichend veränderte, würde er in San Francisco herumlaufen können wie jeder andere Tourist.
Er langte hinter den Sitz, nahm das Haarfärbemittel aus der Plastiktüte, riss die Schachtel auf und überflog die Gebrauchsanweisung. Die Prozedur schien einfach genug zu sein, aber man brauchte ein Waschbecken und heißes Wasser.
Ich könnte zum Landgasthof zurückfahren ...
Aber Tess war so biestig gewesen!
Doch dann erinnerte er sich an Libbys Hand auf seinem Arm und den besorgten Blick in ihren Augen: Ich glaube, Sie stecken in einer Krise, und ich würde Ihnen gerne helfen. Manchmal hilft ein Gespräch.
Er warf einen Blick in den Rückspiegel, trat aufs Gaspedal und vollführte mit quietschenden Reifen ein Wendemanöver.
9
»Ich komme mir total dämlich vor«, erklärte Reed, die am Fußende von Ellies Bett saß. »Und mehr werde ich dazu nicht sagen, weil du mich sonst mit einem deiner grässlichen Vorträge langweilst, und dann fühle ich mich noch schlechter als sowieso schon.«
Ellie, die dabei gewesen war, Eyeliner am Unterlid aufzumalen, hörte damit auf und hielt das winzige Pinselchen in die Luft, als drohe sie, es sich ins Auge zu stoßen. »Hast du heute schon was gegessen?«, fragte sie und warf im Spiegel einen Blick auf Reed.
»Etwas Hüttenkäse.«
»Wie viel?«
»Nicht sehr viel«, antwortete Reed und spielte mit einer Fussel auf Ellies Tagesdecke herum.
Ellie verdrehte die Augen und schnaubte. »Ich sag kein Wort mehr, solange du nicht irgendwas gegessen hast.« Sie streckte die Hand aus. »Komm mit.«
»Ich esse ja was, versprochen . Aber lass uns erst reden.«
»Hast du deinen Therapeuten angerufen? Weiß er von der Trennung?«
»Äh ... nee«. Reed schüttelte den Kopf. »Ich wollte erst mit dir reden. Er erinnert mich zu sehr an meinen ewig nörgelnden Vater.«
»Oh! Ich habe etwas da, das du essen kannst. Ja?« Ohne auf eine Antwort zu warten, sprang Ellie durchs Zimmer, schnappte
sich ihre Tasche, fischte einen Clif-Riegel heraus und reichte ihn Ellie. »Die haben sie bei der Sporthalle verteilt. Ich hab die Dinger nicht mehr gesehen, seit ich in der dritten Klasse war.«
Reed beäugte den Fitness-Riegel misstrauisch, riss die Verpackung auf und biss ein großes Stück ab. »Siehst du? Mir gehts gut«, murmelte sie, den Mund voller Krümel, dann zerknüllte sie die Verpackung und warf sie in den Papierkorb.
Ellie setzte sich neben sie. »Also. Erzähl mir alles. Was ist passiert?«
Reed hob den Finger zu einer »Augenblick«-Geste, kaute und schluckte den Bissen hinunter. »Erinnerst du dich an Brandons verrückte Schwester Brianna?«
»Rotes Haar, großer Busen, Harley-Tattoo?«
Reed nickte. »Sie hat mich gestern angerufen und mir erzählt, dass er
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