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Prophetengift: Roman

Prophetengift: Roman

Titel: Prophetengift: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Nolan
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lieb«, erklärte Tess, »aber als Therapeutin ist sie ziemlich aggressiv.«
    »Wie alt sind Sie?«, wollte Libby wissen.
    »Im Februar bin ich neunzehn geworden.«
    »Mit dieser Altrockstar-Frisur wirkten Sie eher wie vierzig«, merkte Tess an.
    »Oh Tess«, seufzte Libby.
    »Ihr Typen seid also Lesben, richtig?«, fragte Sebastian.
    »Grammatikalisch stimmt so vieles an dieser Frage nicht, dass ich gar nicht weiß, wie ich sie beantworten soll«, grummelte Tess.
    »Ja, wir sind Lesben«, entgegnete Libby. »Und Sie?«
    »Ich bin keine Lesbe.« Sebastian grinste. »Aber ich liebe Mädchen.«
    »Und wo ist Ihre Freundin gerade?«, erkundigte sich Libby.
    »Ich habe da, äh, im Moment nichts Festes.«
    »Vermutlich billigt Ihre Mutter die Mädchen nicht, die Sie mit nach Hause bringen«, vermutete Libby. »Zumindest nicht, wenn eine richtige Beziehung daraus wird.«
    Sebastian schaute sie an. »Woher wissen Sie das?«
    Sie blinzelte ihn hinter ihren Brillengläsern an. »Ach, nur geraten.«
    »Dr. Zorben will damit sagen«, warf Tess ein, »dass Sie zahlreiche Anzeichen aufweisen, die typisch für einen jungen Mann mit einer dominierenden, kastrierenden Mutter sind.«
    Libby verdrehte die Augen. »Tess.«
    Sebastian erwiderte: »Ich nehme an, das könnte man so sagen. Jedenfalls ist sie der Boss, das ist mal sicher. Sie ist meine
Pressesprecherin und legt alles fest, von meinem Taschengeld bis zu den Fragen, die mir im Fernsehen gestellt werden dürfen, sie entscheidet über die Spezialeffekte bei meinen Versammlungen und unsere Investitionen ...«
    »Und sie fragt Sie nicht nach Ihrer Meinung in diesen Angelegenheiten?«, wollte Libby wissen.
    Sebastian schüttelte den Kopf. »Äh – nee.«
    »Hmm.« Tess beäugte ihn über ihre Brillengläser hinweg. »Wie kommt es, dass Sie eine kastrierende Mutter haben und trotzdem so ein Casanova sind? Man sollte annehmen, Sie wären ein Eunuch oder zumindest ein totaler Schlaffi.«
    »Das ist der älteste therapeutische Trugschluss der Welt«, merkte Libby an.
    »Was ist ein Eunuch?«, fragte Sebastian.
    Tess wandte sich an Libby. »Das war natürlich nur ein Witz. Ich versuche ihn zu reizen, damit er mit ein paar saftigen Details rausrückt.«
    »Sie hätten es wirklich gern, dass ich mich mal so richtig auskotze, oder?«, sagte Sebastian.
    »Jemanden in seelischer Not zu sehen und nicht zu versuchen, ihm zu helfen«, erläuterte Tess, »das wäre für Dr. Zorben wie ... als würde ein Rettungssanitäter einfach vorbeifahren, wenn es einen Frontalzusammenstoß auf der Landstraße gegeben hat. Sie können von Glück sagen, dass sie Ihnen helfen will.«
    Sebastian trat von einem Fuß auf den anderen. »Ich weiß nicht, ob ich ...«
    »Sie könnten sich doch zumindest setzen«, schlug Libby vor und wies auf den großen, alten, mit rotem Cordsamt bezogenen Ohrensessel ihr gegenüber, »und uns ein bisschen mehr über Ihre Religion erzählen. Wir haben beide ein schlechtes Gewissen, weil wir Sie gestern einfach so verurteilt haben, und wir versprechen, unvoreingenommen zuzuhören. Nicht wahr?«
    Tess verzog den Mund zu einer grimmigen Linie und nickte kurz. »Ja.«
    Sebastian setzte sich in den Ohrensessel und schlug die Beine übereinander. »Wollen Sie die lange oder die kurze Version?«
    Tess lächelte und schüttelte sich das lange graue Haar aus dem Gesicht. »Der Tag ist noch jung.«

12
    Donnerstagnachmittag
     
    »Also«, begann Sebastian, »wir glauben, dass es ein ›Gott-Gen‹ als universale genetische Blaupause in jedem Tier und jeder Pflanze gibt, und dieses Gen erlaubt es dem Organismus, sich weiterzuentwickeln.« Er guckte die beiden Frauen abwechselnd an, als schaue er einem Tennisspiel zu oder führe mit allem Nachdruck ein Verkaufsgespräch für Timeshare-Modelle. »Wir sind das genaue Gegenteil der Religionen, die glauben, dass Evolution und Schöpfungsglauben sich widersprechen. Wir hingegen glauben, dass eine Spezies, wenn sie sich durch Evolution entwickelt, damit Gott näher kommt und im Einklang mit Gottes Plan steht.«
    »Ich habe mich vorhin darin erinnert, dass ich das mal über Ihre Religion gelesen hatte«, sagte Tess und nickte Libby zu. »Ich frage mich nur, warum andere Religionen diesen logischen Schluss nicht gezogen haben.«
    »Weil die meisten Religionen ihr Bestes tun, logisches Denken zu vermeiden«, sagte Libby und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Sebastian zu. »Bitte. Sprechen Sie weiter.«
    »Wir glauben zudem, dass Pflanzen und

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