Prophezeiung
Welt.«
Sie sah ihn fragend an.
»Geht doch eh live raus, wenigstens zu irgendwelchen kleinen Sendern.«
»Soweit ich weiß, geht das auch zur kleinen BBC .«
»Aber du möchtest lieber zwischen diesen ganzen unbekannten Wichtigtuern stehen, richtig?«
Sie nickte. »Unbedingt.«
Er seufzte. »Wollte ich schon immer mal sein, Schaulustiger. Gesicht in der Menge. Stehplatz statt Loge. Dafür hab ich mir also derartig den Arsch aufgerissen, mein Leben lang …«
»Ich weiß dein Opfer zu schätzen«, sagte sie mild lächelnd, und im nächsten Augenblick verstummte die raunende, murmelnde Menge, denn zu Mavies Linker wurde die Tür zum Büro geöffnet, und Aldo und Theo traten heraus und bahnten ihrem Boss einen Weg durch die Menge.
Es war, als teilte Moses das Meer. Nur dass Milett eindeutig besser aussah als Moses, denn Danielle hatte ganze Arbeit geleistet. Der Nobelpreisträger schritt, flankiert von zwei Bodyguards, durch die Wartenden, lächelnd, aber ohne den Kopf nach den Seiten zu wenden, und näherte sich langsam dem Salon. Er trug einen dunkelblauen Anzug mit silbernen Manschettenknöpfen, ein weißes Hemd und eine blaue Krawatte mit feinen weinroten Streifen, befestigt mit einer Krawattennadel; seine Frisur saß perfekt, akkurat, aber nicht zu korrekt, denn Danielle hatte keinen x-beliebigen Politiker aus Milett gemacht, sondern eine Mischung aus UNO -Vorsitzendem und Richard Branson. Im Flurlicht wirkte seine Haut fast zu dunkel, aber Mavie wusste, dass er unter dem Scheinwerferlicht, das auf das Podest schien, perfekt aussehen würde. Leicht gebräunt, wahnsinnig gesund, ein kompetenter Endvierziger mit einem gehörigen Schuss Genialität im Blut.
Er bewegte sich durch die Menge, und als er sich keine drei Meter von ihr entfernt der Doppeltür näherte, wandte er den Kopf langsam nach links, in ihre Richtung, als hätte er ihren Blick bemerkt. Er sah ihr in die Augen, lächelnd, und sie fühlte sich, als hielte ihr jemand eine vibrierende Stimmgabel an den Schädel. Milett pulsierte förmlich vor Energie.
Sein linkes Auge zuckte kurz. Er blinzelte ihr zu. Köpfe wandten sich kurz in ihre Richtung, fragend, aber Milett blickte bereits wieder nach vorn und marschierte weiter, hinein in den Salon, auf das Pult zu.
Die Türen wurden hinter ihm geschlossen.
Mavie hörte Philipp anerkennend schnalzen, leise, direkt neben sich. »Okay«, sagte er, »der Mann kann mit Kreditkarten umgehen.«
»Was?« Sie verstand nicht.
»40 000 Fuß Flughöhe.« Er sah sie belustigt an, dann fügte er leise hinzu: »Hey, komm, der Typ ist dermaßen auf Koks, das ist ja der Hammer.«
»Quatsch«, sagte sie.
Er lachte, angelte geschickt zwei Champagnergläser vom vorbeifliegenden Tablett eines Kellners und reichte ihr eines. »Santé. Auf eine bessere Welt.«
Sie hob ihr Glas ein paar Millimeter, dann nippte sie. Philipp irrte sich, da war sie sicher, aber seinen Wunsch teilte sie von ganzem Herzen.
Die Monitore zeigten, wie Milett das Podium betrat und seine Hände auf die Seiten des Rednerpultes legte. Er wartete schweigend, bis er von hinter der Kamera das Signal empfing, alles sei in Position. Es war Punkt achtzehn Uhr dreißig Ortszeit, als derNobelpreisträger, auf dessen Worte die Welt so lange gewartet hatte, mit fester, tiefer Stimme zu sprechen begann.
»Die Gerüchte«, sagte Milett, »die seit einigen Tagen im Internet die Runde machen, furchtbare Katastrophenszenarien, finstere Theorien, Prognosen vom bevorstehenden Ende der Welt – all dies ist wahr, all dies hat eine solide wissenschaftliche Grundlage.
Ich trete heute vor Sie als Überbringer dieser schlechten Nachricht, da die, die wir gewählt haben, es vorziehen zu schweigen. Dies wird zu gegebener Zeit Konsequenzen haben, denn die Menschen der Welt werden Rechenschaft verlangen von denen, die sie im Stich gelassen haben. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch können wir uns nicht mit Schuldzuweisungen aufhalten, jetzt ist nur eines von uns gefordert: Wir müssen handeln. Umgehend.
Denn reagieren wir nicht umgehend, steht unserem Planeten eine Katastrophe bevor, die alles bisher Dagewesene übertrifft, eine epochale Katastrophe, die mehr Opfer fordern wird als alle Kriege des vergangenen Jahrhunderts zusammengenommen.«
Er ließ eine Pause entstehen und schien sich zu vergewissern, dass man tatsächlich eine Stecknadel hätte fallen hören können, dann schaute er aus seinen stahlgrau pulsierenden Augen in die Kamera, die näher heranzoomte,
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