Prophezeiung
geparkten SUV einen prüfenden Blick zu, nickte und schnappte sich das zweite Paddel.
»Dann lass uns mal reinhauen, Alter. Die Mädels sollen ja nicht so lange warten müssen, da werden die nämlich ganz schnell kiebig.« Er sah kurz auf seine Gummistiefel und dann Edward an, der in seiner langen Anglerhose brusthoch vor Wasser und allen eventuell darin schwimmenden Nervenquälgeistern geschützt wäre. »Aber erwarte ja nicht, dass ich da drüben aussteige – du hast die richtige Hose mit, ich nicht.«
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44 Das Mädchen mit dem Kabel im Ohr, das neben anderen den Empfang in der Lobby des CCV hütete, hatte Mitleid mit ihr. Nachdem die beiden Security-Schränke sie bis unten begleitet und dort zum Auschecken abgegeben hatten, sah Mavie blass und elend genug aus, um als Notfall durchzugehen, und die junge Dame erlaubte ihr, nachdem sie ihr ein Taxi bestellt hatte, die Keycard noch einen Augenblick zu behalten und die Waschräume aufzusuchen.
Mavie bewegte sich wie in Trance durch die Menschen, die durch die Lobby strömten, auf dem Weg zu irgendwelchen grotesk überflüssigen Konferenzen und Besprechungen, lauter Menschen, die taten, als ginge die Welt nicht gerade unter, die erst recht so taten, als wäre ihre, Mavies Welt, nicht gerade mit einem lauten Knall zum Stehen gekommen, implodiert und zu einem festen schwarzen Nichts im Universum zusammengeschmolzen.Einem Nichts, in das kein Licht drang und aus dem nichts mehr hinaus dringen würde, kein Licht, kein Laut.
Ihre Schritte hallten laut an den Wänden des langen Korridors wider, der vom Empfang des CCV zu den Waschräumen führte. Niemand kam ihr entgegen. Sie war allein mit dem Geräusch ihrer Schritte.
Sie zog die Keycard durch den Schlitz, stieß die Tür auf, drückte sie hinter sich wieder zu und lauschte in die dumpfe Stille. Sie war allein in dem großen Waschraum. Vor einem fast zehn Meter langen Spiegel, mit zehn Waschbecken davor.
Sie wählte das letzte.
Erschöpft ließ sie ihre Tasche auf dem Weg einfach auf den Boden fallen, sah sich kurz fassungslos im Spiegel vor dem letzten Becken an, hielt die Hand vor den Infrarotsensor am Fuß des Wasserhahns und klatschte sich eiskaltes Wasser ins Gesicht.
Träumte sie? Sie musste träumen. War das wirklich passiert, eben? Eisele? Und Milett? Die ganze Versammlung, alle auf der gleichen Seite? Und alle einig, dass sie, wenn schon nicht allein, dann doch hauptverantwortlich war für das Desaster, das über die Welt hereinbrach? Sie, das kleine Kind, das Feuer! gerufen hatte, obwohl doch alle anderen, die Erwachsenen, längst von dem Brand wussten und beschlossen hatten, aus absolut vernünftigen Gründen die im Haus tief schlafenden Bewohner nicht zu wecken? Sondern zu warten, wer lebendig entkam, um dem dann gegebenenfalls etwas Brandsalbe gegen seine Wunden ersten Grades anzubieten, aber mehr eben nicht? Sie sollte einen Völkermord verursacht haben, weil sie sich eben nicht der unterlassenen Hilfeleistung hatte schuldig machen wollen? Und das musste sie sich von einem Mörder sagen lassen?
Sie warf sich noch etwas mehr Wasser ins Gesicht und ließ die Hände liegen, wo sie waren, auf ihren Augen, auf ihren Wangen. Das konnte nicht wahr sein, alles.
Als sie den Kopf hob und in den Spiegel sah, schrak sie zusammen und machte einen alarmierten Satz nach links, weg von den Becken. Denn sie sah nacheinander auf der rechten Seite des Spiegels und dann direkt daneben, ungespiegelt, einen der beiden Männer, die sie vor zehn Minuten direkt hinter Lefèvre und direkt vor Eisele den Konferenzraum hatte betreten sehen. Dengrößeren von Eiseles beiden Bodyguards, nicht den Fleischberg, sondern den ernst blickenden Zweimetermann mit dem blonden Crew Cut.
Der auch jetzt nicht so aussah, als habe er in seinem Leben je gelacht.
Dass ihre Tasche im gleichen Augenblick zu klingeln begann, war ein gelungener schlechter Scherz. Sie selbst und Eiseles Bodyguard waren ungefähr gleich weit weg von der Tasche, und sie wusste, dass sie den Anruf nicht rechtzeitig würde entgegennehmen können, um den Anrufer wenigstens noch einen erstickten Laut hören zu lassen.
Das Handy klingelte unbeeindruckt weiter.
Der Riese rührte sich nicht vom Fleck. Er starrte Mavie an. Und wartete, bis der Anrufer aufgab oder die Mailbox anspringen würde.
Mavies Gedanken rasten. Sie würde nicht an ihm vorbeikommen. Sie würde es nicht schaffen, die Tür aufzustoßen und in den leeren Korridor hinein um Hilfe zu rufen. Außer,
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