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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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vorbeifliegenden Wolkenfetzen hinunter auf die Stadt und auf die pechschwarze Schlange, die mitten in der grauen Landschaft lag, auf ihrem immer gleichen Weg von Ost nach West.
    Und obwohl die kleine Maschine durch die Windböen torkelte wie ein Sechsjähriger nach zwei Gläsern Wodka, unregelmäßig vorwärtsgetrieben von ihrem einzigen Propeller, hätte Mavie den Fluss gern noch eine ganze Weile länger aus unsicherer Höhe, aber sicherer Entfernung betrachtet.
    Es war einfach zu viel Wasser. Zu viel Wasser in der falschen Form und Farbe. Kein notfalls für sie erträglicher flach abfallender Südseestrand, nichts Klares, Grünblaues, Ruhiges. Sondern sehr undurchsichtig und sehr lebendig. Dunkelgraubraune Brühe, in der man die eigene Hand nicht wiederfand, sobald man so dämlich war, sie zwischen all ihre tennisballkleinen Bewohner zu stecken, deren einziger Lebenssinn darin bestand, andere Lebewesen bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu lähmen und fürs Leben zu zeichnen.
    Während die Maschine förmlich durch die Wolken nach unten fiel, hörte sie Philipps unterdrücktes Shit vom Nebensitz, sah, dass er um den Sitz herumgriff und das Magazin des Schnellfeuergewehrs überprüfte, und erinnerte sich endlich daran, dass sich seit ihrem letzten Blick auf die Elbe einiges geändert hatte.
    Die Quallen waren offenbar nicht mehr das, was sie am meisten zu fürchten hatte.
    Sie zog ihr Handy aus der Tasche. Die Anzeige der Netzstärke flackerte zwischen »kein Empfang« und einem verstümmelten Balken hin und her.
    Vor dem Fenster verwandelte sich die schwarze Schlange in ein aufgerautes schwarz-weißes Ledertuch und zeigte mit jedem Meter, den sie tiefer gingen, ihr wahres Gesicht – das eines aufgewühlten Flusses, auf dem sie unmöglich landen konnten.
    Was zu Mavies Erleichterung auch der Pilot begriff und von vorn nach hinten brüllte. Was allerdings ihren Begleiter lediglich animierte, seinen Sitzgurt aufzuhaken, zurückzubrüllen, eine Landung sei sehr wohl möglich, und nach vorn zu stolpern, mit dem Schnellfeuergewehr in der Rechten.
    Mavie wandte sich vom Fenster ab, starrte auf ihr Handy und wählte nacheinander Thilos Nummer und Edwards Nummer. In beiden Fällen sprangen sofort Bänder an.
    Und im nächsten Augenblick landete sie mit der Stirn fast an der Rückenlehne des Sitzes vor ihrem, als die Maschine geräuschvoll aufsetzte und durch eine Gischtfontäne auf das Ufer zusprang.

[Menü]
    51 Der Moment, in dem sie, aus dem Südarm der Elbe kommend, den Hauptstrom erreichten, war der Moment, in dem Edward Heller endgültig begriff, dass er einen Fehler gemacht hatte. Der Hagel hatte aufgehört, sogar der Regen und der Wind schienen sich ein wenig beruhigt zu haben, aber was einerseits angenehm war, sorgte andererseits für bessere Sicht.
    Und was er sah, gefiel ihm nicht. Das Dockland ragte am gegenüberliegenden Ufer hoch vor ihnen auf, unversehrt und stolz, aber zur Rechten, über der Stadt, hing eine Wolke, die zu tief und zu dunkel war, um lediglich aus Wasser zu bestehen, das Regen werden wollte. Edward brauchte einen Augenblick, um sich einen Reim darauf machen zu können, dann verstand er, dass er eine Rauchwolke sah, gespeist aus zahlreichen kleineren Quellen. Bränden, die wegen des ständigen Regens nicht ins Freie dringen konnten, Bränden, die unter Dächern ihren Weg fanden. Jede Flamme, die ins Freie schlug, wurde umgehend erstickt und gelöscht, aber der Rauch hing tief und schwer über dem Hafen und der ganzen Innenstadt.
    Durch das Geräusch des Regens, der weiter auf die Persenning des Bootes nieselte, hörte er von fern Sirenen, von überall her. Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste waren offenkundig imDauereinsatz, und Edward mochte sich das Ausmaß des Chaos in der Millionenstadt nicht vorstellen. Die Kommunikation musste zum Erliegen gekommen sein, nicht nur sein Handy und das von Thomas hatten sich verabschiedet und meldeten nur mehr sporadisch Netzempfang, offenbar betraf das Problem die ganze Stadt. Er vermutete, dass nicht nur die Telefonnetze zusammengebrochen waren, sondern die gesamte Stromversorgung, was auch erklärte, weshalb weder im Dockland noch in den Häusern auf der anderen Seite des Flusses Licht brannte, nirgendwo. Das allerdings würde sich erst am Abend dramatisch auswirken, sofern die Behörden das Problem nicht bis dahin in den Griff bekamen. Aber schon jetzt, am helllichten, wenn auch regnerischen Tag, bedeutete ein Zusammenbruch der Stromnetze, dass die

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