Prophezeiung
ein Gemälde von Breughel und Bosch.
Als er begann, ihr zu erklären, dass auch die gesamte seit Anfang des Jahrtausends gestrickte »CO 2 -Legende« nur dazu diene, dem weltweiten Mittelstand das allerletzte Geld mittels Verordnungen und Neuwagen- und Neubauzwängen aus den Taschen zu ziehen, unterbrach sie ihn dankend.
»Mach mir einen guten Preis, und ich kaufe dir jedes UFO ab. Aber verschon mich mit deiner Weltklimaverschwörung.«
»Wenn’s doch stimmt.«
»Es stimmt eben nicht. Es ist nur ein bisschen komplizierter als deine Weltwirtschaft und die paar Jahrhunderte, in denen du dich so hervorragend auskennst. Und du verbrennst dir die Zunge.«
Er schwieg. Nicht vergrätzt, sondern lächelnd.
Und sie versuchte es erneut bei Helen.
Mailbox.
Sie schüttelte den Kopf, im Wissen, dass ihr die vernünftigen Erklärungen für Helens Schweigen inzwischen ausgegangen waren. Sie verlegte sich darauf, an irgendeine diffuse unvernünftige Erklärung zu glauben, denn wenn sie etwas wirklich nicht brauchen konnte, dann waren es panische Fantasien.
Also rief sie erneut die Auskunft an. Philipp von Schencks Nummer war tatsächlich bekannt, Mavie ließ sich durchstellenund hatte nach zweifachem Klingeln eine Frauenstimme im Ohr, die klang, als wehe sie von einem Eisberg. Mavie fragte Frau von Schenck höflich, ob sie etwas von Philipps Schwester gehört habe, Frau von Schenck verneinte indigniert. Auf Mavies Frage, wo sie Herrn von Schenck erreichen könne, verriet die kalte Stimme ihr die Nummer seines Büros.
Dort erreichte sie eine freundlichere Frauenstimme. Nachname Weiß. Mavie fragte nach Philipp, Weiß sagte, er sei unterwegs. Worum es ginge? Um seine Schwester. Weiß schwieg einen Augenblick, und als sie wieder sprach, kehrte Mavies Panik mit Macht zurück. Weiß bat sie um ihre Festnetznummer und versprach gedämpft, Herrn von Schenck von ihrem Anruf zu unterrichten. Nein, dessen Handynummer dürfe sie nicht herausgeben. Sie bedauerte. Und klang auch so.
Mavie legte auf.
Versuchte Daniel zu erreichen.
Mailbox.
»Vielleicht lieber einen Tee, diesmal?«, sagte Edward. »Ich habe bestimmt irgendwas mit beruhigenden Kräutern.«
Sie sah ihn an. Unschlüssig, ob er sich einen Scherz erlaubte. Aber sein Gesichtsausdruck erinnerte sie daran, dass Edward gar nicht scherzen konnte.
Sie nickte.
Das Telefon in ihrer Hand klingelte.
Sie sah auf das Display und hoffte, Helens Nummer zu sehen.
Unbekannter Anrufer. Sie drückte auf den grünen Knopf.
»Heller.«
»Mavie, hier ist Philipp.«
»Danke, dass du so schnell … Ich versuche seit Stunden, Helen zu erreichen.«
»Ja, ich hab die ganze Zeit versucht, dich zu erreichen«, sagte er, und ihr war, als hörte sie eine laute Stimme aufschreien, von weit her, Nein.
»Meine Schwester ist tot«, sagte er.
Sie schwieg. Ungläubig. Und spürte, wie ihr Herz ein paar Takte aussetzte.
»Was?«, sagte sie und atmete weiter.
»Heute Morgen. Ein Unfall mit dem Auto, auf einer Landstraße. Sie ist von der Straße abgekommen, in einen Fluss gerutscht und ertrunken.«
»O mein Gott«, hörte Mavie sich sagen, mit einer Stimme, die nicht ihre war.
Sie bemerkte Edwards Blick. Sie hatte ihren Vater noch nie so besorgt gesehen.
»Buchholz, ja?«, sagte Philipp.
»Bitte?«
»Deine Nummer.«
»Ja. Ich bin bei meinem Vater.«
»Ich dachte, in Norwegen.«
Sie schwieg. Was sollte das?
»Kurzer Ausflug«, sagte er, und seine Stimme war leise und in ihren Ohren unpassend kalt.
»Lange Geschichte«, sagte sie.
»Die will ich gelegentlich hören«, sagte er. »Du weißt nicht zufällig, was Helen da gemacht hat?«
»Was?«, sagte Mavie wieder.
»Was sie da wollte. An was für einer Story sie gerade dran war? Einsame Landstraßen mitten in der Pampa waren nicht direkt Helens Revier, schon gar nicht früh morgens.«
»Ich weiß es nicht«, sagte Mavie tonlos.
»Ihr habt so cirka alle halbe Stunde telefoniert, jeden Tag, und du weißt nicht, was sie gemacht hat?«
Sie schwieg.
Er seufzte. Nicht müde, sondern wütend. »Pass auf, Mavie«, sagte er. »Es gibt eine klare Unfallursache. Ich habe vor einer Stunde mit den Beamten gesprochen, die den Unfall aufgenommen haben. Helen hatte 1,8 Promille.«
Jemand schüttete einen Becher Eiswürfel in Mavies Kragen. »Helen …«, sagte sie.
»Ja, das wissen wir beide«, sagte Philipp. »Und zwar keinen Tropfen. Deshalb frage ich ja dich, noch mal«, wiederholte er, und seine Stimme klang jetzt nur mehr mühsam
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