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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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in der Geschichte des Planeten die Sonne sich so benommen hat wie jetzt, gab es extreme Veränderungen in kürzester Zeit, wie jetzt. Daher die neue und von niemandem vorhergesagte Erwärmung der letzten zwei Jahre, Tendenz zunehmend. Und, um zum letzten Mal zu unserem Schlaganfallpatienten zu kommen: Bei den letzten Anfällen hatte dieser Patient bei seinen gezwungenen Marathonläufen noch keine dicke Jacke aus Treibhausgasen an. Klima macht zwar immer, was es will, Klima benimmt sich wie ein Besoffener, der durch die Fußgängerzone stolpert, aber es ist nicht besonders klug, den Besoffenen auch noch zu ärgern. Das haben wir getan, jahrzehntelang. Und jetzt ist es zu spät, noch einen Helm aufzusetzen.«
    Sie nickte.
    »Mag sein. Aber der Schlag trifft ja nicht alle gleich hart.«
    »Nichts Neues. Neu ist, dass er uns diesmal überhaupt trifft. Und nicht nur die, denen es ohnehin schon lausig geht.«
    »Aber wie kann Gerrittsen … er kann doch nicht wollen, dass das passiert? Dass die Menschen nicht gewarnt werden.«
    Beck sah sie an und runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich glaube, das ist nicht seine Entscheidung.«
    »Sondern?«
    »Die des IICO .«
    Jetzt war es an ihr, die Stirn zu runzeln, allerdings nicht nachdenklich, sondern erzürnt. »Wie kann irgendjemand das wissen und nicht kommunizieren?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich kann nur spekulieren.«
    »Ich höre. Mit sehr offenen Ohren.«
    »Damit wir uns nicht missverstehen: Das ist nicht meine Ansicht. Ich versuche nur, es mir selbst zu erklären.«
    »Verstanden.«
    »Könnte schwierig werden, eine knappe Milliarde Menschen zu evakuieren.«
    Sie ließ es sacken. Immer noch fassungslos. »Schwachsinn«, sagte sie. »Natürlich ist das schwierig. Und natürlich werden wir nicht alle retten können, aber doch zumindest einen großen Teil …«
    »Du könntest nicht mal die Panik im Norden verhindern, geschweige denn dem ganzen Süden helfen. Wir reden hier nicht von ein paar Hunderttausend Obdachlosen nach einem geplatzten Deich in Polen …«
    Sie unterbrach ihn energisch. »Wie lange weißt du das schon?«
    »Was?«
    »Von der Prognose.«
    »Seit August, ungefähr.«
    »Und du schläfst ruhig durch?«
    »Ich bin nicht der Retter der Welt. Ich bin Wissenschaftler. Ich mache meinen Teil. Und wenn mein Boss und dessen Bosse meinen, man müsse erst noch ein paar Testreihen laufen lassen, bin ich nicht dagegen, sondern dafür. Und zwar ganz entschieden.«
    »Bis zum bitteren Ende?«
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Wir hätten vielleicht nicht so lange warten dürfen, so oder so. Aber ich denke, das Ganze hat sich verselbstständigt. Das IICO war offenbar wesentlich früher als ich überzeugt, dass die Prognose zutrifft. Hast du nicht auf meinem Bildschirm das Alu-Experiment gesehen, in der Wüste, südlich vom NASP , zwischen Algerien und Libyen?«
    Sie erinnerte sich an das Bild. Silber auf Sand. Und nickte.
    »Einer von mehreren Versuchen, künstliche Reflektoren herzustellen«, sagte er. »Erfolglos, wie alle anderen. Aber wie gesagt, ich kann nur mutmaßen. Dass man sich irgendwann entschlossen hat, die Prognose nicht zu kommunizieren.«
    »Und die Menschen einfach sterben zu lassen.«
    »Ja. Sofern die Prognose zutrifft.«
    »Das ist absolut … krank. Weißt du, was du da sagst?«
    »Ja.«
    Sie schwieg.
    Er schwieg.
    Mit einem Mal hatte sie das Gefühl, laut werden zu müssen. Endgültig die zu seiner leisen Akademikerstimme passende Atmosphäre ersetzen zu müssen durch etwas Klares, Kaltes, Hartes.
    Sie stand auf, trat zur Zimmertür und legte den Lichtschalter um. Mehrere Hundertwattbirnen verjagten alle Schatten aus dem Raum, und der im Sessel sitzende Rollkragenträger wirkte plötzlich wesentlich unbedeutender als zuvor.
    »Was machen wir?«, fragte sie, trat wieder an den Sessel und stützte sich mit beiden Unterarmen auf die Rückenlehne.
    Die Frage traf ihn nicht unvorbereitet. »Gute Frage«, sagte er, seufzte und massierte sich mit beiden Handflächen das Gesicht, ausgiebig. Sie betrachtete ihn und wartete. Sah, dass neben dem Sessel ein Koffer stand, ein geräumiges Exemplar aus Leder. Sie wagte kaum zu hoffen, dass er etwas Aussagekräftigeres mitgebracht hätte als ihre paar dürren Zahlen auf dem Mem-Stick, andererseits brauchte niemand einen so dicken Koffer für eine Kurzreise zu einem Vortrag.
    »Das Ganze ist kompliziert«, sagte er. »Und zwar noch komplizierter, als es sowieso schon aussieht. Das eine ist, dass Gerrittsen und

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