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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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Fenstern Laubbäume im dichten Regen. Später Abend, dem Licht nach zu urteilen. Ein Bild an der gegenüberliegenden Wand, Sonnenblumen. Ein Sessel. Flache Rückenlehne, Stoff, grün, ein Tisch, darauf eine Blumenvase, ein paar Zeitungen.
    »Wo sind wir?«
    »Bei Freunden.«
    Sie schüttelte vorsichtig den Kopf. Ihr war bewusst, dass sie sich an manches nicht erinnerte, aber ihre Freunde besaßen bestimmt keine Krankenhäuser.
    »Freunde von Freunden«, sagte Philipp. »Das ist schon wieder eine lange Geschichte, aber wir sind hier sicher, keine Sorge.«
    »Wo ist hier?«
    »Versailles, oder kurz davor. Eigentlich nehmen die hier nur reiche Alkoholopfer, aber für dich machen sie eine Ausnahme.«
    Sie sah ihn fragend an.
    Er seufzte. »Wir hätten das alles anders machen sollen. Du hättest sagen sollen: ›Komm, wir hauen für ein halbes Jahr ab, nach Soneva Fushi, tauchen, essen, lesen, sonnen, und verbringen den Rest der Zeit ohne Schnorchel im Bett.‹ Ohne Verbände. Sogar sechs Monate Malediven wären deutlich billiger gewesen als dieser Trip. Allein dieser Scheißhubschrauber. Und diese ganzen Krankenhausbeamten – die sind völlig versaut durch ihre Privatstationen off the record, für diese ganzen Saudis und Russen, das kostet alles ein Schweinegeld. Jedes Schweigen.«
    Sie sah ihn fragend an. Er holte tief Luft und nickte.
    »Du hast tierisches Glück gehabt. Ich war als Erster oben, nach dem Knall, und hab dich aus dem Zimmer gezogen. Du warst bewusstlos und sahst nicht besonders gut aus, weil du quer durch den Raum geflogen bist. Zum Glück auf die Betten, und zum Glück hatte die noch niemand auseinandergeschoben. Erst recht zum Glück hattest du aber einen Sessel als Ganzkörperschutz gegen diefliegenden Teile. Der Sessel ist hin, du nicht. Du hast dir nicht mal was gebrochen, müsstest aber trotzdem höllische Schmerzen haben, denn zwei deiner Rippen sind angebrochen und dein ganzer Körper ist eine blaugrüne Riesenprellung.«
    Sie nickte.
    »Wenn ich halbwegs nüchtern gewesen wäre«, sagte er, »hätte ich dich nicht da rausgezogen. Ich hätte einfach auf die Bullen und einen Krankenwagen gewartet, aber in dem Moment hatte ich einfach einen Kurzschluss im Hirn. Ich wollte dich da raus haben, nicht warten, weder auf den Krankenwagen noch auf die, die das Zimmer hochgejagt hatten. Ich hatte einfach Schiss. Nüchtern hätte ich gewusst, dass ich dich wahrscheinlich umbringe, wenn ich dich bewege und durch die Gegend trage, aber ich war ja nicht nüchtern. Erstaunlich, wie egal das den Leuten ist, nach so einem Knall. Die haben alle interessiert zugeguckt und dachten sich vermutlich, okay, der weiß schon, was er tut. Und Durchlassen, ich bin Arzt stellt in dem Moment auch keiner infrage.«
    Er verstummte. Sie sah ihn fragend an. Auffordernd.
    »Ich hab dich ins Krankenhaus gefahren. Keine Sorge, ich weiß schon, wieso ich keine Stoffsitze habe, sondern Leder. Denen hab ich erzählt, dir sei unser Gasherd um die Ohren geflogen, inklusive Wok und Öl, die haben dich notversorgt, als Frau Hartmann, mir ist auf die Schnelle nichts Schöneres eingefallen, und Herr Hartmann hat telefoniert wie bescheuert. Mit Freunden in Hamburg, mit Freunden von Freunden in Holland, und nach ’ner Stunde hat Spengler mich zurückgerufen und mir gesagt, wir könnten hierher, zu seinem Freund Deschamps. Sofern wir die Miete zahlen könnten. Was wir können. Du warst bewusstlos, man hat dich bis zum Rand vollgepumpt mit Schmerzmitteln, Morphium, was weiß ich, gegen die Hirnschwellung und alle anderen, aber wir haben dich transportieren dürfen, im Heli. Hierher. Und hier hast du jetzt fast vier Tage geschlafen. Und mir Sorgen bereitet. Schön, dass du wieder da bist.«
    Sie nickte. Versuchte sich an irgendetwas zu erinnern und ließ es gleich wieder bleiben. Ihr fehlten vier Tage, offensichtlich. Vier Tage zwischen Himmel, Schnappschüssen im Dunkel und glühend heißem Strand.
    »Aber«, sagte sie und sortierte ihre Fragen. »Das geht doch gar nicht, die Polizei …?« Sie ließ den Satz in der Luft hängen.
    »Ja«, nickte er. »Dachte ich auch. Wenn Herr und Frau Walther aus Bremen in Rotterdam in die Luft fliegen, dann wirft das Fragen auf. Und wenn Herr und Frau Walther auschecken, ohne zu zahlen, erst recht. Aber du hast einiges verpasst.«
    Sie sah ihn fragend an.
    »Nicht nur die großen Storys«, sagte er. »Die gehen eigentlich alle gleich, soweit sie aus dem Norden kommen: Es wird überall immer nasser, es hört

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