Prophezeiung
das IICO und die Geldgeber …«
»Die sind wer?«
»Ich habe keine Ahnung. Wirklich nicht. Es hat die ganze Zeit, von Anfang an, reihenweise Gespräche gegeben, die wenigsten auf La Palma, Gerrittsen war dauernd unterwegs, aber es waren auch viele Wichtigtuer da, Controller, Politiker, Manager, Banker, Anwälte, weiße Kittel und schwarze Anzüge. Für mich sehen die alle gleich aus, und mich hat das nie interessiert.«
»Eisele?«
»Oft«, sagte er.
Sie bemerkte seine zweite Tasche und stellte sich gleich zwei Fragen auf einmal. Erstens, wieso trug er seinen Kulturbeutel gesondert mit sich herum, zweitens, warum stellte er den auf der anderen Seite ihres Kamins ab?
Aber noch interessanter war das, was er jetzt aus seinem ersten Koffer zog. Nämlich einen dicken Ordner und sein iPad. »Kompliziert wird das Ganze dadurch, dass wir viel zu spät kommen, um noch etwas zu ändern.«
Sie starrte wieder seine zweite Tasche an. Den kleinen Koffer. Es ergab keinen Sinn. Selbst wenn er zuerst in dem anderen Sessel gesessen hatte, links neben dem Kamin, und selbst wenn er tatsächlich einen zweiten kleinen Koffer mit sich herumtrug, hätte er den nicht dort stehen lassen.
»Denn selbst …«, hörte sie Beck sagen, und noch im Moment, in dem sie den Kopf einzog und versuchte, vollständig hinter dem Sessel zu verschwinden, auf dessen Lehne gelehnt sie da gestanden und den Koffer angestarrt hatte, noch in diesem Moment hoffte sie, Beck werde sie im nächsten Augenblick erstaunt fragen, was mit ihr los sei, ob sie den Verstand verloren habe oder einfach nur Krämpfe in der linken Wade, aber sie hörte ihn beim Wegducken bloß noch sagen: »… wenn die Prognose …«, und im nächsten Augenblick löste sich ihr gesamtes persönliches Universum in seine Bestandteile auf, in einem kurzen Schlag aus ohrenbetäubendem Lärm, blendendem Licht und dem alles erstickenden Faustschlag eines planetenschweren Giganten.
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21 Das Schweben, das war der angenehme Teil. Das Schweben über der Welt, über den Dingen, den Blick nach vorn, nach oben gerichtet, himmelwärts, hinauf in den Tunnel aus weißem Licht. Sie flog, mit ausgebreiteten Armen, ganz bei sich und doch körperlos, schwerelos, frei. Hinein in den Tunnel aus funkelndem Licht, hinein in einen atemberaubenden, perfekten Spezialeffekt im strahlenden Blau des Firmaments. Sie flog, hinauf, und wusste, dass nichts mehr sie hielt, niemand, keine Frage, keine Sorge, kein Bedauern.
Frei.
Aber immer wieder, im Moment, da sie die Augen schloss und sich ganz dem Gefühl des endlosen Glücks hingab, das der nun noch vor ihr liegende Weg ihrer Seele versprach, immer wiederfühlte sie die Hand nach ihrem Knöchel greifen, weigerte sich anzuerkennen, dass überhaupt noch etwas sie erreichen konnte, und fühlte sich doch zurückgezogen, rückwärts heraus aus dem Licht, den Blick nach vorn gewandt, das Licht entschwindend dort oben, rasch entschwindend.
Die Hand zog sie zurück, stetig, mit festem Griff. Und auf dem Weg nach unten spürte sie die Wärme, zunehmend von Minute zu Minute, bis sie sich auf dem Boden wiederfand, ausgestreckt im heißen Sand, das Licht am Himmel über ihr ein anderes, grelleres Licht, Sonnenschein, mittäglich durch heiß stehende Luft auf sie herunterbrennend. Nichts war mehr leicht. Alles war unmöglich. Die Augen zu öffnen. Die Arme, die Beine, auch nur die Hand, einen Finger zu heben, zu bewegen. Sie lag, gefesselt ohne Fesseln, wie gelähmt von einem Gift. Im heißen Sand, im heißen Licht. Spürte, wie ihre Haut zu glühen begann, wie ihr das Blut in den Adern, unter der Haut zu kochen begann, in jedem Nerv, um jeden Knochen. Wollte schreien. Und schrie ohrenbetäubend, stumm, ohne den Mund zu bewegen, bewegen zu können.
Die anderen Schmerzen folgten. Beginnend in Brust und Rücken, wie Einschläge von kleinen Bomben, die unsichtbare Flugzeuge über ihrer Heimat, ihrem Körper abgeworfen hatten, von weit oben. Einschlag um Einschlag, dumpf, dann brennend, wellenförmig sich ausbreitend.
Und dann kamen die Hände. Die Hände und das Eis. In ihren Armen, aufsteigend, lindernd, alles löschend. Das Eis, das sie frei machte. Frei, sich wieder zu bewegen, aufzuschwingen in den Himmel, erneut zu schweben, hinauf, ins Licht, schmerzlos, auf den Tunnel zu.
Endlos. Der immer wieder gleiche Weg. Das immer wieder gleiche Spiel, im Wechsel mit Phasen dunkelster Nacht, minutenlangen, tagelangen, jahrelangen Phasen dunkelster Nacht, in der nur
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