Prosecco um Mitternacht
gehabt. Zwischendurch waren sie nur aufgestanden, um den Kühlschrank zu plündern oder chinesisches Essen zu bestellen. Und sie bestellten viel, nicht nur, weil man nach chinesischem Essen eine halbe Stunde später schon wieder Hunger bekam, sondern auch, weil sie so viele Kalorien verbrannten, dass sie dringend eine Stärkung brauchten.
Komisch, er hätte nie gedacht, mal aus purer Erschöpfung mitten im schönsten Sex eine Pause einzulegen.
Irgendwann gegen vier war er in einen komaähnlichen Schlaf gefallen und erst um halb acht vom Klingeln des Weckers wieder aufgewacht – allein. Ohne Nachricht. Ohne Slip auf seiner Nachttischlampe. Ohne das geringste Zeichen von Renae.
Geblieben waren ihm nur die Erinnerungen, seine müden Muskeln und ihr Duft, der allerdings überall zu sein schien. Diese Frau würde ihn noch in den Wahnsinn treiben, das spürte er.
Und die Vorstellung, dass es ihr nur um Sex ging, machte ihm zu schaffen, auch wenn er das lieber nicht genauer analysieren wollte.
“Verdammt!”
Es ergab doch überhaupt keinen Sinn, dass er sich mit der Frage beschäftigte, ob sie wirklich bloß an Sex mit ihm interessiert war. Ihm ging es schließlich auch um nichts anderes. Wieso sollte Renae dann anders empfinden? Ihr Verhalten für fragwürdig zu halten, war geradezu sexistisch, denn warum sollten Frauen nicht die gleichen Rechte haben? Ging es einem Mann nur um Sex, war er ein toller Hengst, während eine Frau gleich als Schlampe galt.
Er knallte das Krankenblatt, das er mit sich herumtrug, auf den runden Tisch und setzte sich auf einen der fünf freien Stühle. Zu Beginn der Schicht war der Umkleideraum angenehm leer. In etwa einer Stunde, wenn die Nachtschicht kam, würde hier große Unruhe herrschen.
Aber Will wurde von seiner eigenen Unruhe verfolgt.
Diese Unruhe und seine sexuelle Frustration hatten ihn in Renaes Arme getrieben – und jetzt war er beunruhigt und besorgt, weil er diese Affäre begonnen hatte und Renae nicht mehr vergessen konnte.
Colin tat gut daran, sich aus der Sache herauszuhalten. Wenn er, Will, noch die Möglichkeit hätte, würde er sich selbst auch heraushalten. Leider war es dafür ein bisschen zu spät.
Er wünschte, Renae wäre wenigstens etwas anhänglicher oder hätte ihn gebeten, mit Janet Schluss zu machen. Wenn sie nur einen Hauch Eifersucht gezeigt hätte, dann wäre vielleicht alles anders.
Genau das war das Dilemma.
Will hatte sich nie für oberflächlich gehalten. Dennoch fragte er sich jetzt, ob er es nicht doch war und ob Männer es nicht ganz allgemein waren. Wenn ja, dann lag es seiner Meinung nach an den Frauen, mit denen sie sich abgaben. Er hatte Affären gehabt mit Frauen, die gern sein Bett mit ihm für eine Nacht teilten, in dem Wissen, dass es nur diese eine Nacht sein würde. Und dann waren sie trotzdem wütend gewesen, wenn er sie am nächsten Tag nicht angerufen hatte.
War es mit Renae anders, weil sie nach dem ersten Mal keinen Anruf erwartet hatte? Weil sie gar nichts von ihm erwartet hatte?
Will stützte den Kopf auf die Hand und kratzte sich an der Schläfe. Wenn das der Fall war, dann war doch etwas dran an den Dating-Regeln und der Mars-Venus-Theorie, über die er vor Kurzem noch gespottet hatte. Konnte es sein, dass Frauen bloß so zu tun brauchten, als sei schwer an sie heranzukommen? Brauchten sie dem Mann nur das Gefühl zu geben, er müsse sich anstrengen, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, und – zack! – war er verloren?
Eine weitere Frage drängte sich auf: Wäre er überhaupt noch mit Janet zusammen, wenn sie gleich zu Beginn ihrer Beziehung mit ihm geschlafen hätte?
Er schaute erneut auf seine Uhr. Du meine Güte, diese Grübelei führte zu nichts.
Natürlich musste die Entschlossenheit der Frau echt sein. Janet wollte wirklich bis zur Hochzeitsnacht warten. Renae ging es wirklich nur um Sex. Vermutlich hätte er sich über beide Frauen keine weiteren Gedanken gemacht, wenn er gemerkt hätte, dass sie nur Spielchen trieben. Zum Beispiel, wenn er bei Renae gespürt hätte, dass sie nur so tat, als sei es ihr egal, sich in Wahrheit aber nach einem Anruf von ihm sehnte. Oder wenn er bei Janet das Gefühl gehabt hätte, dass sie nur deshalb vor der Ehe keinen Sex mit ihm wollte, weil sie ihn dazu bringen wollte, ihr die teuerste Hochzeit diesseits des Atlantiks auszurichten.
Aber da war noch eine andere Frage: War es möglich, zwei Frauen gleichzeitig zu begehren, aus zwei völlig unterschiedlichen Gründen?
Er
Weitere Kostenlose Bücher