Prosecco um Mitternacht
“Nein.”
“Dann willst du also, dass ich bleibe?”
“Nein”, antwortete er schnell.
Sie lachte. “Da ich nicht vorhabe, mich in deinem Schrank zu verstecken, bis du dich entschieden hast, sollte ich wohl doch lieber gehen.”
“Nein”, sagte er noch einmal und hielt sie am Arm fest, als sie aufstehen wollte. Er sah ihr ins Gesicht und dachte, dass er sie unwiderstehlich fand. Sie war kein Vergleich zu den Frauen, mit denen er früher Abenteuer gehabt hatte, die nie länger als ein paar Stunden dauerten. Mit Renae hingegen war es schon die vierte Stunde ihres zweiten Treffens, und er war ihrer Gesellschaft nicht nur noch nicht überdrüssig, sondern wollte sogar noch mehr von ihr. “Ich habe eine interessante Frage an dich”, sagte er leise.
“Ach ja?”
“Findest du es nicht ein bisschen seltsam, dass du auf die Assistenzärztin kein bisschen eifersüchtig bist?” Betroffen registrierte er, dass er Janet schon genau wie Renae “die Assistenzärztin” nannte, statt ihren Namen zu benutzen. Aber Janet war im Augenblick nicht das Thema der Unterhaltung. Renae und ihr eigenartiges Verhalten interessierten ihn viel mehr.
“Eifersüchtig?”
“Ja. Ich meine, immerhin bin ich im Grunde mit jemand anderem zusammen. Auch wenn wir noch keinen Sex hatten …, noch nicht”, zwang er sich hinzuzufügen, “so wollte ich doch welchen.”
“Und deshalb sollte ich eifersüchtig sein?”
“Na ja …, wäre das nicht die normale menschliche Reaktion in einer solchen Situation?”
“Das hängt davon ab, wie du ‘normal’ definierst.”
Er dachte über ihr Argument nach. “Dann weicht deine Definition von der der meisten Menschen ab?”
“Möglicherweise nicht so sehr die Definition, sondern eher die Umstände. Und die Umstände sind diesem Fall …”
“Unserem Fall …”
“Also es ist so, dass ich von deiner Beziehung zu einer anderen Frau wusste, bevor wir uns miteinander einließen.”
“Hm. Aber das erklärt nicht, weshalb du nicht eifersüchtig bist, jetzt, wo wir über den Status eines One-Night-Stands hinaus sind.”
Ihr Lachen, das sonst lustvolle Gedanken in ihm auslöste, ärgerte ihn diesmal. “Ich würde das, was zwischen uns ist, nicht unbedingt als dauerhafte Beziehung bezeichnen, Will.”
“Nein, das würdest du wohl nicht.”
Sie schwieg eine Weile, und das Lächeln verschwand von ihrem Gesicht, während sie ihn nachdenklich betrachtete. “Du etwa? Würdest du dies als Beziehung bezeichnen?”
“Tja, genau darin liegt das Problem, nicht wahr?”
“Ich kann dir nicht ganz folgen.”
Er seufzte schwer und rieb sich das Gesicht. Er musste duschen und sich rasieren, brachte jedoch weder für das eine noch für das andere die nötige Kraft auf. Sein Blick fiel auf Renaes glitzernden Piercingschmuck im Nabel und ihre zarte Haut. “Natürlich kannst du mir nicht ganz folgen, ganz einfach deshalb, weil ich selbst nicht weiß, worauf ich eigentlich hinauswill.”
Das unangenehme Gefühl in der Magengrube bereitete ihm Sorge. Er nahm an, dass es ganz normal war, angesichts der Situation, in die er sich gebracht hatte. Was er da empfand, war schlicht und einfach Schuld.
Er sah zu der Frau neben sich und begriff, dass es auch etwas völlig anderes sein konnte.
“Triffst du dich eigentlich mit jemandem?”, fragte er.
Renae musste grinsen. Will und sein offensichtlicher moralischer Zwiespalt waren einfach zu süß. “Wie bitte?”
Er winkte ab. “Ich weiß, wir haben schon geklärt, dass du nicht mit deiner Mitbewohnerin zusammen bist. Aber gibt es …, gibt es da einen Mann in deinem Leben?”
“Hm, einen Mann”, wiederholte sie. Das machte ihm anscheinend schwer zu schaffen. Sie stützte den Kopf in die Hand. Als sie sich zum Blaumachen bereit erklärt hatte, was ihr früher nie in den Sinn gekommen wäre, war sie nicht auf ein solches Gespräch gefasst gewesen. “Wenn du wissen willst, ob ich mit jemandem zusammen bin, lautet meine Antwort nein.”
“Vielleicht hast du eine harmlose Affäre?”
Sie lachte. “Nein.”
“Oder telefonierst mit einer alten Liebe?”
“Nein.”
“Oder du hast jemanden im Visier?”
“Nein.”
Er wirkte seltsam erleichtert und zugleich enttäuscht über diese neuen Informationen.
“Momentan gibt es keinen Mann in meinem Leben.” Sie strich ihm die Haare aus der Stirn. “Anwesende natürlich ausgeschlossen.”
“Natürlich”, murmelte er. “Und du bist wirklich nicht eifersüchtig? Nicht im Mindesten?”
Renae
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