P.S. Ich liebe Dich
Jenny.
»O ja!«, antwortete eine andere Stimme in angewidertem Ton. »Und ihr Mann ist noch nicht mal ein Jahr tot.«
»Ach, lasst sie doch«, meinte eine andere Frau leichthin. »Vielleicht sind sie nur befreundet.«
Danke, dachte Holly.
»Das bezweifle ich allerdings«, fuhr die Frau fort, und die anderen lachten.
»Garantiert nicht«, meldete sich Jenny wieder zu Wort, die sich offensichtlich als Chefköchin der Gerüchteküche sehr wohl fühlte. »Habt ihr gesehen, wie sie sich aneinander geschmiegt haben? So tanze ich mit keinem Mann, mit dem ich nur befreundet bin.«
»Wirklich eine Schande«, warf eine andere Frau ein. »Stellt euch vor, ausgerechnet hier, wo sie immer mit ihrem Mann war, jetzt den Neuen vorzuführen, und das vor allen ihren Freunden. Ekelhaft.«
Die Frau schnalzte tadelnd mit der Zunge, und in der Kabine neben Holly ging die Spülung. Wie erstarrt stand sie da, schockiert und zutiefst beschämt.
Die Toilettentür ging auf. »Solltet ihr euch nicht vielleicht zur Abwechslung mal an eure eigene Nase fassen, ehe ihr diesen miesen Tratsch in die Welt setzt?«, hörte sie Sharons Stimme. Holly lächelte und spendete im Stillen Beifall. »Es geht euch absolut nichts an, was meine beste Freundin tut! Jenny, wenn dein Leben so verdammt perfekt ist, warum flirtest du dann so gnadenlos mit Paulines Mann, oder meinst du, es sieht keiner?«
Holly hörte jemanden nach Luft schnappen – vermutlich Pauline –, und sie musste sich den Mund zuhalten, um nicht laut loszuprusten.
»Also kümmert euch gefälligst um eure eigenen Angelegenheiten und verpisst euch alle zusammen!«, schrie Sharon.
Als Holly das Gefühl hatte, dass alle weg waren, schloss sie die Kabinentür auf und kam heraus. Erschrocken blickte Sharon auf.
»Danke, Sharon.«
»Oh, Holly, tut mir echt Leid, dass du das mit anhören musstest«, sagte sie und drückte ihre Freundin an sich.
»Es macht nichts, mir ist es scheißegal, was die von mir denken«, erwiderte Holly tapfer. »Aber ich kann nicht glauben, dass Jenny Paulines Mann anbaggert!«
Sharon zuckte die Achseln. »Hat sie auch gar nicht gemacht, aber das wird diese Tussen die nächsten Monate beschäftigen.«
Die beiden Freundinnen kicherten.
»Ich glaube, ich gehe jetzt nach Hause«, meinte Holly nach einem Blick zur Uhr. Sie dachte an Gerrys letzten Brief, und ihr Herz wurde schwer.
»Gute Idee«, stimmte Sharon zu. »Ich wusste ja nicht, wie doof dieser Ball ist, wenn man nüchtern bleibt.«
Holly lächelte.
»Auf alle Fälle warst du großartig, Holly. Geh jetzt ruhig heim und mach Gerrys Brief auf. Aber ruf mich an und erzähl mir, was drinsteht!«, sie umarmte Holly noch einmal.
»Es ist der letzte«, sagte Holly traurig.
»Ich weiß, also genieße ihn«, lächelte Sharon. »Aber Erinnerungen bleiben einem das ganze Leben, vergiss das nicht.«
Holly ging zu ihrem Tisch zurück, um sich zu verabschieden, und Daniel stand auf, um sie zu begleiten. »Du kannst mich hier nicht alleine lassen«, meinte er lachend. »Wir können uns ein Taxi teilen.«
Holly war leicht irritiert, als Daniel auch noch aus dem Taxi hüpfte und sie zu ihrem Haus begleitete. Schon wieder diese Situation. Sie brannte darauf, Gerrys Brief zu öffnen. Inzwischen war es Viertel vor zwölf, also blieben ihr fünfzehn Minuten, in denen er hoffentlich schnell seinen Tee austrinken und sie alleine lassen würde. Sie bestellte sogar ein Taxi auf eine halbe Stunde später, damit er gleich wusste, dass er nicht zu lange bleiben konnte.
»Ah, das ist also der berühmte Umschlag«, sagte Daniel und nahm den Brief vom Tisch.
Holly machte große Augen; es gefiel ihr nicht, dass Daniel den Umschlag anfasste und Gerrys Spuren verwischte.
»Dezember«, las er und fuhr mit dem Finger über die Buchstaben. Holly wollte ihm sagen, dass er den Brief in Ruhe lassen sollte, aber sie hatte Angst, dass er sie für hysterisch halten würde, und schließlich legte er den Umschlag von selbst wieder hin. Mit einem Seufzer der Erleichterung füllte Holly den Kessel für das Teewasser.
»Wie viele Umschläge sind es denn noch?«, fragte Daniel, während er den Mantel ablegte und zu ihr an die Anrichte trat.
»Das ist der letzte«, antwortete sie mit heiserer Stimme und räusperte sich ausgiebig.
»Und was machst du danach?«
»Wie meinst du das?«, fragte sie verwirrt.
»Na ja, soweit ich es beurteilen kann, ist diese Liste so etwas wie deine Bibel, deine Zehn Gebote. Was die Liste sagt, das gilt in
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