Psalms of Isaak 01. Sündenfall
König Rudolfo von den Neun Häusern der Neun Wälder, vom General der Streunenden Armee.«
Als er sich umwandte, fiel Licht auf sein Gesicht. Dieser neuere Mechoservitor war um einiges schlanker und um einiges ausgeklügelter als Sethberts ältere Ausgabe. Sie spürte, wie ihre Augen sich verengten, während sie ihn musterte.
»Ich soll Euch mitteilen«, fuhr er fort, »dass Ihr die richtige Wahl getroffen habt und König Rudolfo zu Euch stoßen wird, sobald er kann.«
»Ich danke dir«, sagte sie. Dann hielt sie inne. »Wie soll ich dich nennen?«
Der Metallmann nickte kaum merklich. »Ihr könnt mich als Mechoservitor Nummer drei ansprechen. König Rudolfo nennt mich Isaak.«
Jin Li Tam lächelte. »Ich werde dich auch Isaak nennen.«
Die Soldaten überprüften zum zweiten Mal ihre Ausrüstung, zogen die Gurte ihrer Satteltaschen fest und begutachteten ihre Bogensehnen.
Der Hauptmann übernahm die Führung. »Wir brechen unverzüglich auf und wir reiten schnell – erst nach Westen, dann nach Norden, dann nach Osten – und wir werden unser Tempo auf den ersten zwanzig Meilen nicht verlangsamen.« Er deutete auf Jin Li Tam und dann auf Isaak. »Euch zwei will ich gleich hinter mir haben. Die anderen werden uns in die Mitte nehmen.« Er nickte einem jungen Späher zu, unter dessen Turban blondes Haar hervorlugte. »Daedrek, du übernimmst die Vorhut. Brauner Vogel für Gefahr, weißer Vogel für einen Halt.«
Daedrek streckte sich und nahm den kleinen, unterteilten Vogelkorb entgegen. Er schlang ihn um seinen Sattelknauf und flocht die Zugbänder durch die Finger seiner linken Hand.
Jin Li Tam beobachtete alles fasziniert. Sie hatte Geschichten über die Zigeunerspäher gehört … Legenden vielmehr, die bis zurück zum ersten Rudolfo reichten, diesem Wüstendieb, der seinen Stamm von Zigeunerbanditen in die abgelegenen Wälder der Neuen Welt geführt hatte, um der Verheerung der Alten zu entgehen. Sie hatte die Legenden gehört, aber noch nie hatte sie sie vor ihren eigenen Augen lebendig werden sehen.
Sie hoffte, dass sie bessere Kämpfer waren als Sethberts Deltaspäher. Ihrem Aussehen nach war sie sich dessen ziemlich sicher. Sie waren nur zu fünft, dazu ein Hauptmann, aber sie konnte ihre Gefährlichkeit in ihren zusammengekniffenen Augen erkennen, in ihrem angespannten Lächeln und an der Art, wie sie beim geringsten Geräusch die Köpfe neigten.
Daedrek eilte voraus, und die anderen warteten, bis er eine Meile hinter sich gebracht hatte.
Sie blickte zu dem Metallmann hinüber. Das erklärte das größere Pferd. Offensichtlich waren die Automaten nicht annähernd so schwer, wie sie aussahen, wogen aber sicher doppelt so viel wie ein großer Mann. Dennoch ritt er ganz gut. Sie fragte sich, ob er schon einmal geritten war.
Der Hauptmann pfiff, und sie brachen auf, duckten sich tief in die Sättel und trieben ihre Pferde hart an. Ihre Bogen hatten sie an die Sättel geknüpft und ihre Schwerter unter die Achseln geklemmt.
Als sie über den ersten Hügel ritten, sah Jin auf der rechten Seite die Verheerung von Windwir, eine Ebene verkohlter, pockennarbiger Erde. Sie glaubte, dort draußen entlang der Grenze des Ödlands ein Pferd trotten zu sehen, aber sie konnte sich nicht vergewissern, weil die Sonne hinter einer Wolke hervorkam und ihr die Sicht nahm.
Sie ritten drei Stunden lang, ehe dem Hauptmann blitzschnell ein weißer Vogel in das kurze Vogelnetz ging. Da hielten sie an, um den Späher in der Vorhut auszuwechseln und eilten dann weiter.
Der Tag rauschte vorüber, und als die Sonne unterging, konnten sie die niedrige Hügelkette am Ufer des nächsten Flusses in der Ferne sehen – die ersten Ausläufer des Gräsernen Meeres, das Rudolfos Neun Wälder und ihre Häuser verbarg. Sie schlugen ein Lager ohne Feuer auf und errichteten ihre Zelte in einem engen Kreis um das Zelt, das sie sich mit Isaak teilte.
Isaak setzte sich in die Ecke und Jin legte sich auf ihre Schlafmatte. Ein schwaches Klicken und Klacken drang von ihm heran, obwohl er sich nicht bewegte – das Geräusch war genauso verstörend wie beruhigend.
Sie versuchte zu schlafen, konnte es aber nicht. Die Ereignisse der letzten paar Tage wollten sie nicht loslassen. Von dem Augenblick an, in dem sie die Rauchsäule gesehen hatte, bis jetzt – wie viel war da geschehen? Wie sehr hatte sich die Welt verändert? Wie sehr hatte sie selbst sich verändert?
Seit sie zum ersten Mal getötet hatte, als sie noch ein Mädchen gewesen
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