Psychologische Homöopathie
nach der Menopause (Kent: »Traurigkeit vor den Menses«, »Traurigkeit während der Schwangerschaft«). Die meisten Frauen, die während dieser Zeit emotionale Probleme haben, brauchen Natrium muriaticum. Mit ihren Hormonen ist alles in Ordnung. Aber die schnellen Veränderungen im Hormonspiegel destabilisieren die emotionalen Abwehrmechanismen von Natrium und lassen dadurch die unterdrückten Emotionen an die Oberfläche kommen. Gäbe es keine unterdrückten Emotionen, dann gäbe es auch keine Depression vor der Menstruation oder nach der Geburt.
Selbstmordgedanken kommen häufig vor, wenn Natrium stark depressiv ist. Diejenigen, die durch den Tod Erlösung von ihren Leiden suchen, tun das meist in aller Stille, indem sie eine Überdosis Schlaftabletten nehmen oder sich mit Autoabgasen vergiften. Es gibt jedoch einige Natrium-Typen mit einer stärkeren Wutkomponente, die sich in ihrer Depression die Pulsadern aufschneiden.
Manische Depression ist eine erbliche Erkrankung, die sich durch den Wechsel von Depression und Euphorie auszeichnet. Nach meiner Erfahrung reagieren die meisten manisch Depressiven auf hohe Potenzen von Natrium muriaticum oder Natrium sulfuricum und sind Natrium-Persönlichkeiten zwischen den beiden Extremen (Kent: »Manie«). Das manische Stadium hat meist ähnliche Charakteristika, ganz gleich zu welchem Konstitutionstyp der Patient gehört. Es äußert sich durch eine starke Beschleunigung des Denkens und Handelns, erhöhte Libido, Größenwahn und wilde Kauforgien. Da diese Züge eher für die Krankheit als für den Patienten charakteristisch sind, eignen sie sich nicht zur Unterscheidung von Symptomen. Die Persönlichkeit außerhalb der manischen Episoden ist in diesen Fällen ein besserer Führer zur passenden Arznei. (Aurum und Veratrum album sind hier gelegentlich angezeigt.) Die Behandlung von manischer Depression mit der richtigen Arznei wirkt unabhängig davon, in welcher Phase der Krankheit das Mittel gegeben wird. Das manische Stadium kann genauso effektiv verkürzt werden wie die depressive Phase, vorausgesetzt, der Patient nimmt keine Antidepressiva.
Enttäuschte Liebe
Natrium ist Ignatia darin sehr ähnlich, daß viele Natrium-Menschen sich innerlich verlassen fühlen und extrem empfindlich auf Liebesverlust reagieren. Deshalb leiden beide Typen meist enorm, wenn sie einen nahestehenden Menschen verlieren, sei es durch Tod oder durch Trennung. Solche Situationen wecken schmerzliche Kindheitserinnerungen und bringen die alten Gefühle wieder ins Bewußtsein, die man seit dem Alter von etwa zwei oder drei Jahren unterdrückt hatte. Schwerer Gram ist die Antwort auf ein altes unterdrücktes Gefühl. Das ist nichts Neues. Die meisten Natrium-Patienten erleben in einer tiefgehenden Psychotherapie diesen heftigen Kummer, wenn sie noch einmal fühlen, was sie als kleine Kinder empfunden haben.
Bei Natrium-Menschen sind zwei »unnormale« Reaktionen auf Kummer weit verbreitet. Die erste ist ein völliger Mangel an Reaktion. Der Mensch empfindet nichts, außer vielleicht einem Taubheitsgefühl. Das ist im ersten Moment durchaus üblich, wenn man von einem schmerzlichen Verlust erfährt, aber bei Natrium folgt darauf nicht die sonst ebenfalls übliche Phase von Trauer und Tränen, weil das verletzte Herz fest entschlossen ist, nichts zu fühlen. Eine weitere Schicht von Traurigkeit wird ins Unterbewußtsein verdrängt, und das Herz wird noch stärker von den Gefühlen abgeschnitten. Als Folge davon hat Natrium nach einem solchen stillen Kummer vielleicht ständig ein Gefühl des Verlustes, das aber nicht weiter benannt werden kann. Wenn das Mittel in einer hohen Potenz gegeben wird, kann es die Verdrängung manchmal rückgängig machen und die Tränen auslösen, die vorher nicht vergossen wurden.
Die andere weitverbreitete Reaktion ist eine verlängerte und erheblich vertiefte Version des »normalen« Trauerprozesses. Nachdem er von seinem Verlust erfahren hat, befindet sich der betreffende Mensch erst einmal im Schock, dem bald tiefe Traurigkeit und heftiges Schluchzen folgen. In diesem ersten labilen Stadium wird Ignatia den Patienten gewöhnlich stabilisieren und ihn wieder zur Besinnung bringen. Nach dem Ignatia-Stadium kann er jedoch über Monate oder sogar Jahre in seinem Kummer verharren. Während dieser Zeit taucht das Bild des Verstorbenen immer wieder in seiner Erinnerung auf und reaktiviert den Schmerz, als werde ihm von neuem ein Messer ins Herz gestoßen. Jede Erinnerung
Weitere Kostenlose Bücher