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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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sie das nie zuvor getan haben; dass sie sich einem Fremden in einer Weise öffnen, an die sie sich ihr Leben lang erinnern würden, fände ihr Leben nicht ein so jähes Ende?
    Ich habe Sie nach den sterblichen Überresten aller Opfer des Highwaykillers gefragt. Sie haben mir eine Leiche gegeben, die anders als die übrigen war. Warum?
    Ich bin überzeugt, die Antwort wird der Anfang vom Ende für den Highwaykiller sein.
    Dr. Frank Clevenger
     
    Jonah schloss seine Augen und versetzte sich zum Flughafen in Utah zurück und stellte sich vor, wie er Clevenger sein Messer ins Herz stieß. In diesem Moment wünschte er sich, er hätte es getan, wünschte sich, dass er Clevenger von seinem Leiden erlöst hätte, statt zu versuchen, ihn zu heilen oder von ihm geheilt zu werden. Denn Clevenger war offensichtlich bis ins Mark mit Whitney McCormick infiziert, hatte sich in seinem Verlangen nach ihr verloren.
    Jonah griff in seine Tasche und holte die Nippesfigur hervor, die seine Mutter ihm bei der Geburtstagsfeier im Park geschenkt hatte: eine winzige, fein gearbeitete Porzellanfigur der knienden Jungfrau Maria. Er strich mit seinem Daumen über ihr Haar, dessen gelbliche Glasur von so vielen Jahren der Berührung abgerieben war; und dachte bei sich, dass Gott ihn vielleicht auf die Probe stelle, damit er selbst erkenne, was nun von ihm verlangt wurde.
    Ein Klopfen an der Tür holte ihn ins Hier und Jetzt zurück. Er schüttelte den Gedanken ab und schlug seine Augen auf. »Herein«, rief er.
    Die Tür ging auf, und Sam Garbers Eltern, Hank und Heaven, kamen herein. Sie sahen aus, als habe man sie vom Wühltisch der Menschheit zusammengeklaubt – der Mann mochte so um die sechzig sein, klein, nervös und sehnig, mit blutunterlaufenen Augen; die Frau war bedeutend größer, nicht älter als fünfunddreißig, wog mindestens einhundertfünfzig Kilo und schaute verärgert drein.
    »Bitte, nehmen Sie Platz«, sagte Jonah. Er öffnete Sams Krankenblatt auf der Seite, wo er die Zeichnung der Notaufnahme von seinen körperlichen Verletzungen abgeheftet hatte. Der Neunjährige war in das Rock Springs Medical Center eingewiesen worden, nachdem seinem Sportlehrer frische blaue Flecke und verheilte Verbrennungen an Bauch, Rücken, Armen und Beinen des Jungen aufgefallen waren, was das Jugendamt von Wyoming dazu veranlasst hatte, ihn vorsorglich der Obhut seiner Eltern zu entziehen. »Verstehen Sie, warum Sam in diese Abteilung eingewiesen wurde?«, begann er und sah von Hank zu Heaven, dann wieder zurück.
    »Weil dieser Mr. Daravekias sich irgend so ‘ne verschrobene Idee in den Kopf gesetzt hat«, antwortete Hank.
    »In Bezug auf die Prellungen«, sagte Jonah. »Und die Verbrennungen.«
    »Das haben wir alles schon dem Sozialarbeiter erklärt«, entgegnete Hank.
    Jonah sah Heaven an, die zurückstarrte und weiter wütend ihren Kaugummi kaute. »Nach dem, was in der Akte stand«, sagte er, »haben Sie dem Sozialarbeiter erzählt, Sam sei kürzlich eine Treppe hinuntergefallen und vor einiger Zeit vom Rad gestürzt. Und da stand auch etwas davon, dass er in den Kamin gefallen sei?«
    »All das sagt Sam selber«, erwiderte Hank.
    »Wie ist er die Treppe hinuntergefallen?«, fragte Jonah Heaven.
    »Is’ wohl gestolpert«, antwortete Hank. »Der Junge verliert ständig das Gleichgewicht. Ich hab ihn zum Fressen gern, aber er ist ungeschickt wie ‘n blindes Maultier.«
    Ich hab ihn zum Fressen gern? Nicht, wenn Jonah es verhindern konnte. »Haben Sie ihn fallen sehen?«, fragte er Heaven.
    Sie starrte Jonah einen Moment lang an. »Ich denk nich’, dass ich ihn rund um die Uhr im Auge behalten kann«, antwortete sie schließlich, ohne mit dem Kaugummikauen innezuhalten.
    Jonah fixierte sie unbeirrt weiter. Für einen kurzen Moment sah er das Gesicht seiner eigenen Mutter, weit schlanker als das von Heaven, weit blasser, die Augen heller und strahlender. Durch schiere Willenskraft verdrängte er sie aus seinen Gedanken und schalt sich im Stillen dafür, ihr Bild mit dem einer Bestie in Zusammenhang gebracht zu haben. »Es gab da einen weiteren Besorgnis erregenden Befund«, fuhr er fort und starrte in die Augen, die nun wieder Heaven gehörten – schmutzig braun und leblos.
    »Sie mögen’s ja Besorgnis erregend finden«, sagte Hank. »Wir nicht.«
    »Besorgnis erregend für mich«, gestand Jonah zu und sah ihn an. »Und auch Besorgnis erregend für den Sozialarbeiter.«
    »Nun, Sie, der Sozialarbeiter und alle anderen sonst können

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