Psychopathen
Welt von Spionen, Spionage und Gegenspionage – mit der Lizenz zum Töten statt dem starken, unfassbaren Drang danach – Wand an Wand mit der Welt der unbemerkt agierenden Serienkiller existieren könnte. Und dass der Geheimagent, den wir alle kennen und lieben, möglicherweise eine ziemlich hohe Punktzahl erzielen würde, sollte er seine Walther PPK gegen das PPI eintauschen.
Aber haben diese Spekulationen irgendeine Grundlage? Das Klischee zu akzeptieren ist eine Sache; zu sehen, dass die Fantasie eine Entsprechung in der Wirklichkeit hat, eine andere. Ist es reiner Zufall, dass Johnny ein Psychopath ist – und dass er beim Geheimdienst tätig ist?
Einer von denen, die sich diese Fragen stellten und dann auf die Suche nach Antworten machten, ist der Psychologe Peter Jonason. 2010 veröffentlichten Jonason (damals Forscher an der New Mexico State University) und seine Kollegen einen Forschungsaufsatz mit dem Titel ›Who is James Bond? The Dark Triad as an Agentic Social Style‹, 68 in dem sie aufzeigten, dass Männer mit Persönlichkeitsmerkmalen wie dem stratosphärischen Selbstwertgefühl des Narzissmus, dem Erlebnishunger und der Furcht- und Skrupellosigkeit der Psychopathie sowie der Arglist und dem Ausbeutertum des Machiavellismus in gewissen Gesellschaftsschichten bestens zurechtkommen. Und nicht nur das: Sie haben auch eine größere Anzahl an Sexualpartnerinnen und neigen eher zu lockeren Kurzzeit-Beziehungen als Männer, bei denen diese Merkmale nur gering ausgeprägt sind. Weit davon entfernt, beim Umgang mit dem anderen Geschlecht ein Handicap zu sein, könnte die dunkle Triade, so Jonason, bei Frauen für Pulsrasen sorgen – und aufgrund des größeren Potenzials, Gene weiterzugeben, tatsächlich eine erfolgreiche Reproduktionsstrategie sein.
Ein flüchtiger Blick in die Boulevardblätter und Klatschkolumnen macht deutlich, dass die Theorie Hand und Fuß haben könnte. Weitgehend jedenfalls. Doch eins der besten Beispiele überhaupt ist Jonason zufolge James Bond.
»Er ist eindeutig unsympathisch und sehr extrovertiert und er probiert gern neue Dinge aus«, sagt Jonason. »Zum Beispiel das Töten von Menschen. Und neue Frauen.«
Für seine Studie hatte Jonason 200 Studenten Persönlichkeitsfragebögen ausfüllen lassen, die speziell dazu entworfen worden waren, das Vorhandensein von Merkmalen der dunklen Triade zu beurteilen. 69 Die Studenten wurden auch nach ihren sexuellen Beziehungen, einschließlich ihrer Einstellung zu flüchtigen Affären und One-Night-Stands befragt. Und siehe da, die wichtigste Erkenntnis war die, dass Probanden, die bei der Triade höhere Punktzahlen erzielten, in der Regel mehr Kerben an ihren wackeligen, schwer strapazierten Bettpfosten hatten als Probanden mit einer niedrigeren Punktzahl. Das legt nahe, dass Elemente der drei Persönlichkeitsstile – Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie – eine zweigleisige Paarungsstrategie männlicher Alphatiere fördern, die auf die Maximierung des Reproduktionspotenzials abzielt:
Schwängere so viele Frauen wie möglich;
mach dich aus dem Staub, bevor irgendjemand dich Papa nennt.
Und diese Strategie scheint sich als ziemlich erfolgreich erwiesen zu haben. Warum sonst gibt es diese Merkmale heute noch? [21]
Das funktionale Ende des psychopathischen Spektrums
Seltsamerweise scheinen Psychopathen nicht nur in puncto Reproduktion ganz oben zu landen. Die Ergebnisse von Evolutionspsychologen [22] wie Peter Jonason untermauern die Behauptungen von Spieltheoretikern wie Andrew Colman, dem wir im vorangegangenen Kapitel begegnet sind, dass es noch andere Lebensbereiche, andere Betätigungsfelder gibt, in denen es sich auszahlt, ein Psychopath zu sein. Eine psychopathische Strategie verhilft nicht nur zu Erfolg im Bett. Sie kann sich z. B. auch im Sitzungssaal als äußerst nützlich erweisen.
Eine Studie aus dem Jahr 2005, die von einem Team aus Psychologen und Neuroökonomen der Stanford University, der Carnegie Mellon University und der University of Iowa durchgeführt wurde, macht dies auf hervorragende Weise deutlich. 70 Bei dieser Studie, die als Glücksspiel mit zwanzig Runden konzipiert war, wurden die Teilnehmer in drei Gruppen aufgeteilt: normale Menschen, Patienten mit Läsionen in den für die Gefühle zuständigen Bereichen des Gehirns (der Amygdala, dem orbitofrontalen Kortex, der rechten Inselrinde und dem somatosensorischen Kortex) und Patienten mit Gehirnläsionen in Bereichen, die nichts mit den Gefühlen
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