Psychopathen
zu tun haben. Jeder Proband erhielt bei Spielstart 20 Dollar und wurde zu Beginn jeder neuen Runde gefragt, ob er bereit sei, einen Dollar aufeinen Münzwurf zu riskieren. Ein Verlust zog die Strafe von einem Dollar nach sich, bei einem Gewinn kamen 2,50 Dollar in die Kasse.
Man muss kein Genie sein, um die Gewinnformel herauszufinden. »Logisch gesehen«, so Baba Shiv, Professor für Marketing an der Stanford Graduate School of Business, »wäre die richtige Vorgehensweise die, in jeder Runde zu setzen.«
Doch was Logik ist, liegt oft in der Betrachtung desjenigen, der sie vertritt, wie die politische Aktivistin Gloria Steinem einst bemerkte. Vor allem, wenn es um Geld geht.
Die Prognose hätte nicht einfacher sein können. Wenn es, wie die Spieltheorie erkennen lässt, Zeiten gibt, in denen es sich auszahlt, den Fuß auf dem Gas zu lassen – und Psychopathen haben schwerere Stiefel –, dann sollten entsprechend der Dynamik des Spiels jene Teilnehmer abräumen, in deren Gehirn die emotionalen Adressen gestört waren. Sie sollten diejenigen schlagen, bei denen dies nicht der Fall war (d. h. die beiden anderen Gruppen).
Und genau so kam es. Im Verlauf des Spiels verzichteten die Probanden, bei denen die emotionale Sortierstelle im Gehirn nicht verletzt war, auf das Zocken und entschieden sich stattdessen für die konservative Alternative, ihre Gewinne zu horten. Im Gegensatz dazu machten diejenigen, deren Gehirn nicht mit dem emotionalen Sicherheitsgurt ausgestattet war, den die meisten von uns fest angelegt lassen, einfach weiter und hatten am Ende des Spiels eine signifikant höhere Gewinnmarge als ihre Gegenspieler.
»Dies ist möglicherweise die erste Studie«, sagt George Loewenstein, Professor für Wirtschaftswissenschaften und Psychologie an der Carnegie Mellon University, »die dokumentiert, dass Menschen mit einem Gehirnschaden bessere finanzielle Entscheidungen treffen als normale Menschen.«
Antoine Bechara, Professor für Psychologie und Neurowissenschaften an der University of Southern California, setzt noch eins drauf. »Die Forschung muss ermitteln, unter welchen UmständenGefühle nützlich beziehungsweise störend sein können und wann sie als Orientierungshilfe für das menschliche Verhalten geeignet sind«, sagt er. »Die erfolgreichsten Börsenmakler könnte man durchaus als ›funktionelle Psychopathen‹ bezeichnen – Individuen, die entweder besser in der Lage sind, ihre Gefühle zu kontrollieren, oder aber Gefühle nicht so intensiv erleben wie andere.«
Baba Shiv stimmt dem zu. »Dies könnte auch auf viele CEOs und Spitzenanwälte zutreffen«, fügt er hinzu.
Eine vom Wirtschaftswissenschaftler Cary Frydman und seinen Kollegen am California Institute of Technology durchgeführte Studie bestätigt Shivs Feststellungen. 71 Frydman gab Probanden eine Summe von 25 Dollar und konfrontierte sie dann mit einer Reihe schwieriger Finanzprobleme. Innerhalb kurzer Zeit mussten die Probanden dann entscheiden, ob sie auf Nummer sicher gehen – z. B. zwei Dollar erhalten wollten – oder aber zocken und sich für eine riskantere, aber potenziell lukrativere Option entscheiden wollten: z. B. eine 50:50-Chance, 10 Dollar zu gewinnen bzw. 5 Dollar zu verlieren. Wer würde abräumen und wer Pleite gehen?
Es war kein Zufall, dass eine Untergruppe der Probanden die übrigen Studienteilnehmer vollkommen austrickste, und, wobei sie Risiken eingingen, durchweg optimale Entscheidungen traf. Diese Menschen waren keine Finanzgenies. Sie waren auch keine Ökonomen, Mathematiker oder gar Poker-Weltmeister. Vielmehr waren sie Träger des »Krieger-Gens« – einer MAOA-L genannten Variante des Monoaminooxidase-A-Gens, eines genetischen Polymorphismus, der früher (nicht unumstritten) mit gefährlichem »psychopathischem« Verhalten assoziiert wurde.
»Im Gegensatz zu früheren Diskussionen in der Literatur zeigen unsere Ergebnisse, dass diese Verhaltensmuster nicht unbedingt kontraproduktiv sind, da die Probanden bei finanziellen Entscheidungen sich nur dann für ein riskanteres Verhalten entscheiden, wenn dies von Vorteil ist«, 72 schrieb Frydmans Team.
Frydman selbst verdeutlichte dies noch: »Wenn zwei Spielerbeim Pokern Karten zählen und einer von ihnen viele Wetten eingeht, mag es so aussehen, als sei er aggressiver oder impulsiver. Aber man weiß nicht, welche Karten er hat – er wettet vielleicht nur, weil er sich gute Chancen ausrechnet.«
Bestätigt wird dies auch durch eine 2010 von Bob Hare
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