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Psychopathen

Psychopathen

Titel: Psychopathen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Dutton
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den Horror-Thriller ›Saw‹ gesehen hatte,mit seiner Freundin auf dem Nachhauseweg. Plötzlich taucht aus einem Eingang ein Typ mit einer Klinge auf. Toms Freundin hat Angst und beginnt zu hyperventilieren. Doch Tom, ähm, entwaffnet den Typen ganz ruhig und jagt ihn zum Teufel.
    »Das Komische war«, erzählt Tom, »ich fand den Film wirklich ziemlich gruselig. Aber weißt du, als ich mich plötzlich in einer realen Situation wiederfand, hab ich einfach irgendwie den Schalter umgelegt. Es war total einfach. Keine Panik. Kein Drama. Einfach nur ... nichts.«
    Der Neurochirurg, von dem wir früher gehört haben, stimmt dem zu. Bachs Matthäus-Passion rührt ihn jedes Mal zu Tränen. Und wenn es um Fußball geht und das Team, das er seit seiner Kindheit unterstützt ... manchmal kann er einfach nicht hinschauen.
    »Ein Psychopath?«, sagt er. »Da bin ich mir nicht sicher. Und ich bin mir auch nicht sicher, was meine Patienten dazu sagen würden! Aber es ist ein gutes Wort. Und ja, es stimmt, wenn man sich vor einer schwierigen Operation die Hände schrubbt, dann spürt man so etwas wie einen Adrenalinschub. Wie soll ich das beschreiben? Ich kann es nur mit einem Rausch vergleichen. Nur dass es ein Rausch ist, der die Sinne schärft, statt sie abzustumpfen. Ein veränderter Bewusstseinszustand, der sich von Präzision und Klarheit nährt statt von Verschwommenheit und Zusammenhanglosigkeit ... Vielleicht wäre ›supernormal‹ eine bessere Beschreibung. Nicht so unheimlich. Spiritueller vielleicht ...«
    Er lacht.
    »Aber vielleicht klingt das ja noch verrückter.«

5 Mach mich zum Psychopathen
    Die großen Epochen unseres Lebens liegen dort,
    wo wir den Muth gewinnen, unser Böses
    als unser Bestes umzutaufen.
    Friedrich Nietzsche
The Times They Are A-Changin’
    Wenn man schon so lange zu den Größen seiner Zunft zählt wie Bob Hare, hat man das Recht, ein bisschen wählerisch zu sein, mit wem man bei Konferenzen herumhängt. Als dann 2011 die alle zwei Jahre stattfindende Konferenz der Society for the Scientific Study of Psychopathy in Montreal bevorstand und ich dem ehrenwerten Professor eine E-Mail schrieb, um ein Treffen zu vereinbaren, hielt ich es für das Beste, förmlich zu bleiben. Sollte es zwischen den einzelnen Sitzungen ein Zeitfenster geben, wir wäre es dann mit einem Kaffee?, fragte ich vorsichtig.
    Die Antwort folgte prompt. »Ich ziehe einen guten Scotch vor. Sie finden mich in der Hotelbar. Ich gebe einen aus.«
    Genau so war es dann auch.
    Ich beschließe, behutsam vorzugehen. »Wie hoch ist denn
Ihre
Punktzahl bei der PCL-R, Bob?«, frage ich bei einem 21 Jahre alten Single Malt.
    Er lacht.
    »Oh, sehr niedrig«, sagt er. »Ich bringe es auf ein oder zwei Punkte. Meine Studenten haben mir schon gesagt, ich solle ein bisschen mehr daran arbeiten. Aber ich habe vor nicht allzu langer Zeit etwas wirklich ›Psychopathisches‹ getan. Ich habe mir einen brandneuen Sportwagen geleistet. Einen BMW.«
    »Toll!«, sage ich. »Vielleicht haben Ihre Studenten mehr Einfluss auf Sie, als Ihnen bewusst ist.«
    Meine zweite Frage ist ernsthafter:
    »Wenn Sie sich umschauen und unsere moderne Gesellschaft betrachten, glauben Sie dann, dass wir im Allgemeinen psychopathischer werden?«
    Dieses Mal nimmt sich der berühmte Mann ein wenig mehr Zeit mit seiner Antwort. »Ja, ich denke schon, dass unsere Gesellschaft im Allgemeinen psychopathischer wird«, sagt er. »Ich meine, heutzutage finden Entwicklungen statt, die vor zwanzig oder auch noch vor zehn Jahren noch nicht zu beobachten waren. Kinder lernen nicht mehr, was normales sexuelles Verhalten ist, weil sie so früh mit der Pornographie im Internet in Berührung kommen. Rent-a-Friend-Websites werden immer populärer, weil die Leute entweder zu beschäftigt oder zu gereizt sind, um echte Freundschaften zu schließen. Und neulich habe ich einen Bericht gelesen, der den signifikanten Anstieg der Anzahl rein weiblicher Gangs mit der zunehmend gewalttätigen Natur der modernen Videospielkultur in Verbindung brachte. 97 Wenn man nach Beweisen dafür sucht, dass die Gesellschaft psychopathischer wird, dann ist der jüngste Anstieg der weiblichen Kriminalität meiner Meinung nach besonders aufschlussreich. Und fangen Sie mir bloß nicht mit der Wall Street an!«
    Hares Standpunkt leuchtet jedem ein, der auch nur ein flüchtiges Interesse an dem hat, was er in der Zeitung liest, im Fernsehen sieht oder zufällig online mitbekommt. 2011 trennte sich ein

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