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Psychopathen

Psychopathen

Titel: Psychopathen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Dutton
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Worten, empathischer. Bücher helfen uns, auf eine Weise zu sehen, wie es das flüchtige Eintauchen ins Internet und dessen schnelllebige virtuelle Welt nicht vermögen. [32] 116
Schuldig, aber nicht verantwortlich
    In Montreal kippen Bob Hare und ich einen weiteren Whisky. Im Zusammenhang mit dem Thema Empathie und Perspektivenübernahme sprechen wir auch über das Aufkommen des sogenannten »Neurorechts«, einer Unterdisziplin, die sich aufgrund eines zunehmenden Interesses der Gerichte an den Neurowissenschaften entwickelt. 117
    Im Jahr 2002 wurde eine Studie veröffentlicht, die einen Wendepunkt markierte. 118 Dort hieß es, dass ein funktioneller Polymorphismus eines Gens, das den Metabolismus von Neurotransmittern im Gehirn beeinflusst, zu einer Prognose für psychopathisches Verhalten bei Männern führt, die als Kind misshandelt wurden. Das fragliche Gen – von den Medien, wie bereits erwähnt, »Kriegergen« getauft – kontrolliert die Produktion eines Monoaminooxidase-A (MAOA) genannten Enzyms. Geringe Dosen davon waren zuvor mit aggressivem Verhalten bei Mäusen in Verbindung gebracht worden.
    Doch Avshalom Caspi und Terrie Moffitt vom Institute of Psychiatry am King’s College in London gingen noch einen Schritt weiter und entdeckten im Rahmen einer bahnbrechenden Studie, die Kinder während der Adoleszenz bis hinein ins Erwachsenenalter begleitete, ein ähnliches Muster beim Menschen. Jungen, die missbraucht oder vernachlässigt werden und eine Variante des Gens besitzen, das für geringe MAOA-Level verantwortlich ist, sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sich mit zunehmendem Alter in Psychopathen zu verwandeln. Produzieren Jungen mit einem ähnlich dysfunktionalen Umfeld jedoch größere Mengen von diesem Enzym, kommt es selten zu derlei Problemen.
    Die Implikationen dieser Entdeckung sind bis in die Gerichtssäle gedrungen und könnten eine Neufassung der fundamentalen Regeln von Verbrechen und Strafe nach sich ziehen. 119 Ob wir »gut« oder »schlecht« sind, hat teilweise mit unseren Genen zu tun und teilweise mit unserer Umwelt.
    Sind wir also, da wir uns keins von beidem aussuchen können, überhaupt in irgendeiner unserer Entscheidungen frei?
    2006 rief Wylie Richardson, der Strafverteidiger von Bradley Waldroup, Professor William Bernet, einen forensischen Psychiater der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee, in den Zeugenstand. 120
    Richardsons Job war nicht einfach.
    Waldroup war wegen eines der brutalsten und abscheulichsten Verbrechen in der Geschichte Tennessees angeklagt. Nachdem seine Noch-Ehefrau ihn mit den vier gemeinsamen Kindern und ihrer Freundin in seinem Wohnwagen aufgesucht hatte, rastete Waldroup, seinen eigenen Aussagen zufolge, aus. Er schnappte sich sein Kleinkalibergewehr, schoss der Freundin seiner Noch-Ehefrau acht Kugeln in den Rücken und schlitzte ihr dann mit einer Machete den Kopf auf. Dann ging er mit der Machete auf seine Frau los, hackte ihr den Finger ab und stach und schlug wiederholt auf sie ein, bevor er seine Taktik änderte und sie mit einer Schaufel bewusstlos schlug.
    Wie durch ein Wunder überlebte seine Frau. Ihre Freundin jedoch nicht. Was hieß, dass Waldroup, falls er für schuldig befunden wurde, die Todesstrafe erwartete.
    Richardson, der beweisen wollte, dass Waldroup nicht schuldig war, packte die Sache so an. »Trifft es zu«, fragte er Bernet, »dass der Angeklagte Träger einer Variation des Gens ist, das für niedrige MAOA-Level verantwortlich ist?«
    »Ja«, erwiderte Bernet.
    »Trifft es auch zu«, fuhr Richardson fort, »dass er als Kind von seinen Eltern wiederholt heftig geschlagen wurde?«
    »Ja«, erwiderte Bernet.
    »Inwieweit ist dann der Mann, der vor Ihnen steht, voll und ganz für sein Handeln verantwortlich?«, bohrte Richardson weiter. »Inwieweit wird sein freier Wille durch seine genetische Prädisposition untergraben?«
    Es war eine wegweisende Frage – vor allem für Bradley Waldroup, dessen Existenz ja auf dem Spiel stand.
    Die Antwort war ebenso wegweisend. Sie reichte nach Ansicht des Gerichts, um Bradley von vorsätzlichem Mord frei und des Totschlags im Affekt schuldig zu sprechen. Sie bewirkte, dass Geschichte geschrieben und mithilfe der Wissenschaft der Verhaltensgenetik ein ansonsten sicheres Todesurteil abgewendet wurde.
    Das Thema des Neurorechts kam auch zur Sprache im Kontext einer umfassenderen Diskussion über das neue Arbeitsfeld Kultur-Neurowissenschaft: das Studium dessen, wie sich

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