Psychopathen
könnte. Und wenn sie etwas finden, glaub mir, Kumpel, dann war’s das. Das Spiel ist aus. Sagen wir mal so: Wenn du ein Problem mit deiner Schwanzgröße hast, ist es wahrscheinlich sehr unangenehm, in einem irakischen Verhörzimmer auf diesen Schwachpunkt gestoßen zu werden.
Im Regiment kennt man keine Gnade. Das Aufeinander-Rumhacken hat seinen Sinn. Es ist eine effiziente Art, die psychische Immunität zu stärken. Es härtet dich ab gegen den Mist, den sie dir an den Kopf werfen, wenn sie dich gefangen nehmen. Es ist die richtige Art von Boshaftigkeit, wenn du verstehst, was ich meine. Außerdem gibt es nichts Besseres, als jemanden so richtig schön zu verarschen, oder?«
Vermutlich nicht. Doch mentale Stärke ist nicht das einzige Merkmal, dass Soldaten von Spezialeinheiten mit Psychopathen gemein haben.
Da ist auch noch die Furchtlosigkeit.
Vor ein paar Jahren unternahm ich an einem wunderschönen Frühlingsmorgen aus mehr als dreieinhalbtausend Metern Höhe über dem Bondi Beach in Sydney meinen ersten Fallschirmsprung. Am Abend zuvor saß ich leicht mitgenommen in einer der Hafenbars der Stadt und schickte Andy eine SMS mit der Bitte um Rat in letzter Minute.
»Halt die Augen offen. Und kneif den Arsch zusammen«, lautete die Antwort.
Was ich dann auch tat. Mehr oder weniger. Doch dieses Kunststück bei Nacht in einem Kriegsgebiet über einem tobenden Ozean aus der zweifachen Höhe zu vollbringen, und das mit einer 100 kg schweren Ausrüstung, ist eine ganz andere Sache.
Und als würde das nicht reichen, muss man auch noch mit dem Verarschtwerden fertig werden. Selbst in einer Höhe von über 9000 Metern geht da die Post ab.
»Wir haben immer rumgeflachst«, erinnert Andy sich. »Rumgealbert. Wir haben zum Beispiel unsere Ausrüstung abgeworfen und dann probiert, ob wir sie einholen können. Oder wir haben einander auf dem Weg nach unten von hinten umklammert und geguckt, wer als Erster den Schwanz einzieht – wer als Erster ausschert und die Reißleine zieht. Wir hatten echt Spaß.«
Na, wenn du meinst, Andy.
Nichts mit Spaß zu tun hatte jedoch das Töten. Ich frage Andy, ob er je wegen irgendetwas Bedauern empfunden habe. Wegen der Menschen, denen er bei seinen zahlreichen Geheimmissionen überall auf der Welt das Leben genommen hatte.
»Nein«, antwortet er nüchtern und seine eisblauen Augen verraten nicht die geringste Spur von Gefühl. »Du fackelst da nicht lange. Wenn du dich in einer gefährlichen Situation befindest, musst du abdrücken, bevor der andere Typ es tut. Und wenn du abgedrückt hast, ziehst du weiter. So einfach ist das. Warum dastehen und darüber nachdenken, was du getan hast? Wenn du das machst, läufst du Gefahr, dass das Letzte, was dir durch den Kopf geht, eine Kugel aus einem M16 ist.
Das Motto des Regiments lautet: ›Wer wagt, gewinnt‹. Aber manchmal kann man es auch verkürzen auf ›Scheiß drauf!‹.«
Kaltblütigkeit
Wenn man die Sache so sieht, fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, dass diese Art von pathologischer Gelassenheit, von gewissenloser Gemütsruhe in gewissen Situationen wohl wirklich nützlich wäre – dass sie manchmal tatsächlich als adaptiv aufgefasst werden könnte. Colin Rogers, einer von Andys Landsleuten und ein ehemaliges Mitglied der berühmten SAS-Spezialeinheit, die 1980 während der Operation Nimrod sanft an die Fenster der iranischen Botschaft in London klopfte, teilt die Ansichten seines alten Kumpels. Inmitten des Staubs, des Feuers und der Trümmer, die das Eindringen in ein Gebäudemithilfe einer Sprengladung nun einmal mit sich bringt, einen Terroristen zu töten, ist nichts, worüber Soldaten der Spezialeinheit lange nachdenken – besonders, wenn sie sich eine hochmoderne Heckler-&-Koch-Maschinenpistole vom Typ MP5 mit einer Feuerrate von 800 Schuss pro Minute über die Schulter geschlungen haben und der Fehlerspielraum oft nur Millimeter beträgt. Kommt man frei zum Schuss, nutzt man die Chance. Man konzentriert sich. Man bleibt ruhig. Und drückt auf den Abzug. Zögern ist keine Option.
Der Trick scheint darin zu bestehen, dass man feuerfest ist. Dass man nicht nur fähig ist, in der Hitze des Gefechts zu handeln, sondern auch noch ganz simpel im entscheidenden Moment. Da geht es nicht an erster Stelle darum, wie heiß es gerade ist.
»Du stehst unter Strom. Natürlich tust du das«, erklärt Colin mir in seiner Stammkneipe im East End, die eindeutig bessere Tage gesehen hat. »Aber hierauf hast du dich seit
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