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Psychopathen

Psychopathen

Titel: Psychopathen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Dutton
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Jahren vorbereitet. Hast sechs, sieben Stunden am Tag trainiert. Es ist wie Autofahren. Keine Fahrt ist genau wie die andere. Aber mit den meisten Eventualitäten wirst du ganz gut fertig. Du reagierst irgendwann automatisch. Du nutzt dein Urteilsvermögen. Aber auch das ist ein Produkt des Trainings. Es ist schwer, die Sache zu beschreiben. Du musst es miterlebt haben. Es ist, als hätte man ein geschärftes Bewusstsein für alles, was um einen herum geschieht. Wie das Gegenteil davon, betrunken zu sein. Gleichzeitig befindest du dich aber auch irgendwie außerhalb der Situation. So als würdest du dir einen Film ansehen.«
    Er hat recht. Was er sagt, gilt nicht nur, wenn es um die Erstürmung von Botschaften geht. Erinnern Sie sich an die Worte des Neurochirurgen im vorangehenden Kapitel? »Ein Rausch, der die Sinne schärft, statt sie abzustumpfen«, so hat er den Zustand vor einer schwierigen Operation beschrieben. Tatsächlich sind in jeder Art von Krise oft diejenigen am effektivsten, die ruhig bleiben – die fähig sind, auf die Erfordernisse des Augenblicks zu reagieren und die nötige Distanz zu wahren.
    Dies verdeutlicht vielleicht ein Interview, das ich mit einem Ausbilder der US Special Forces zu der Frage durchführte, aus welchem Holz ein Soldat geschnitzt sein muss, der nach einem der mörderischsten physischen und psychischen Auswahlverfahren der Welt in die Elitetruppe der US-Marine, die Navy Seals, aufgenommen wird. Die Truppe, die Bin Laden getötet hat.
    »Wir haben wirklich alles getan, um diesen Typen kleinzukriegen. Um ehrlich zu sein, wir haben ihn sogar noch ein bisschen mehr bearbeitet als andere. Es wurde für uns zu einer Art Herausforderung. Außerdem wussten wir tief im Innern, dass er das aushalten konnte. Er wurde mit elf Jahren zur Waise, schlüpfte aber durchs Netz – sorgte für seinen jüngeren Bruder und seine Schwester und schlug sich irgendwie durch. Mit Stehlen. Dealen. Und anderen krummen Sachen. Als er sechzehn war, hat er dann jemanden so zusammengeschlagen, dass der ins Koma fiel. Und wurde eingebuchtet.
    Weißes Rauschen. Schlafentzug. Reizentzug. Wasser. Stresspositionen. Alles. Wir haben nichts ausgelassen. Schließlich hab ich ihm nach achtundvierzig Stunden die Augenbinde abgenommen, bin ganz nah an ihn rangegangen, das Gesicht nur wenige Zentimeter von ihm entfernt, und habe gebrüllt: ›Gibt es irgendetwas, das du mir sagen möchtest?‹
    Zu meiner Überraschung und ich muss sagen, Enttäuschung – wie gesagt, dieser Kerl war stahlhart, und zu diesem Zeitpunkt waren wir eigentlich bereit, ihn bestehen zu lassen – sagte er Ja. Es
gab
etwas, das er sagen wollte.
    ›Was denn?‹, fragte ich.
    ›Sie sollten weniger Knoblauch essen, Mann‹, erwiderte er.
    In meinen fünfzehn Jahren als Ausbilder bin ich da zum ersten Mal unachtsam geworden. Für eine Sekunde, den Bruchteil einer Sekunde, habe ich gelächelt. Ich konnte einfach nicht anders. Ich bewunderte diesen Typen einfach. Und wissen Sie, was? Der Typ hat es gesehen, obwohl er sich in diesem widerwärtigen, beschissenen Zustand befand.
    Er hat es gesehen!
    Er rief mich wieder zu sich heran, und in seinem Blick war reine, ich weiß nicht, Missachtung – oder was auch immer – zu lesen.
    ›Das Spiel ist aus‹, flüsterte er mir ins Ohr. ›Sie sind durchgefallen.‹
    Was? Eigentlich hätte ich das zu ihm sagen sollen! Da wurde uns klar, dass er zu denen gehörte, die nicht kleinzukriegen sind. Zu den Härtesten der Harten ...
    Aber er war ein skrupelloses verdammtes Arschloch. Und falls er ein Gewissen HATTE, ich habe es nie zu sehen bekommen. Er war eiskalt – egal, ob er die Waffe in der Hand hielt oder ob sie auf ihn gerichtet war. Was in diesem Metier nicht immer das Schlechteste ist ...«
McNab im Labor
    Wie versprochen taucht Andy an einem bitterkalten Dezembermorgen beim Centre for Brain Science der University of Essex auf. Beim Eingang wartet der Mann auf uns, von dem wir uns in den nächsten Stunden peinigen lassen werden. Dr. Nick Cooper ist einer der weltweit führenden Kapazitäten auf dem Gebiet der TMS. Und so, wie er an jenem Morgen aussieht, kann man glatt denken, dass er sie vor allem bei sich selbst angewendet hat.
    Nick führt uns ins Labor, wo uns zwei Seite an Seite stehende Lederstühle mit hoher Rückenlehne auffallen. Daneben die größte Papiertuchrolle der Welt. Ich weiß, wozu die Papiertücher dienen: um das überschüssige Kontaktgel wegzuwischen, das es den EEG-Elektroden, die

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