Psychopathen
hatte die Gemeinsamkeit dann auch aufgehört. Statt in der Hitze des Gefechts zu sinken, waren sie inmitten des Bluts und der Eingeweide in die Höhe geschnellt.
»Zumindest zeigt das Ganze, dass die Geräte funktionieren und dass du ein normales menschliches Wesen bist«, meint Nick.
Wir schauen zu Andy hinüber, der drüben bei den Monitoren mit ein paar von Nicks Doktoranden quasselt. Was die wohl von ihm halten? Sie haben gerade seine Daten analysiert – und das Elektrodengel hat seine Haare so zugerichtet, dass er aussieht wie Don King in einem Windkanal.
Ich hingegen kämpfe noch immer damit, mich von einigen der Bilder zu erholen. Mir ist übel. Und ich bin zittrig. Und ein bisschen wacklig auf den Beinen. Meine Werte mochten Nicks Worten zufolge vielleicht gezeigt haben, dass ich normal bin. Der Ausschlag der Nadeln mochte meine geistige Gesundheit bezeugt haben. Aber ich fühle mich keineswegs normal, als ich in der Ecke einer Arbeitsnische hocke, in der es piept und flimmert, und über die Daten nachsinne, die ein völlig entgeisterter Computer ausgeworfen hat.
Der Unterschied in den Profilen ist verwirrend. Während meine EEG-Messwerte fast so aussehen wie die Skyline von New York – eine Stadtlandschaft aus steil aufsteigenden, scharf umrissenen Wolkenkratzern –, erinnern Andys Werte an einen vornehmen Golfplatz ohne große Erhebungen auf einer dieser wunderschön angelegten Inseln mitten im Indischen Ozean. Gleichförmig. Und kompakt. Und wahnsinnig, unheimlich symmetrisch.
»Da fragt man sich, was normal tatsächlich bedeutet, oder?«, sage ich zu Nick.
Er zuckt mit den Schultern und drückt die Resettaste auf dem Computer.
»Vielleicht bist du ja gerade dabei, es herauszufinden«, sagt er.
Mach mich zum Psychopathen
Nachdem wir die Sache über die Bühne gebracht haben, macht Andy sich zu einem Hotel auf dem Land auf, wo ich ihn später zu einer Nachbesprechung treffen werde. Vorher muss ich die Tortur jedoch noch einmal über mich ergehen lassen, nämlich in Phase II des Experiments, in der bei mir ein »psychopathisches Umstyling« vorgenommen wird. Eine erneute Konfrontation mit Verstümmelung, Gemetzel und Blut. Nur dieses Mal buchstäblich mit einem anderen Kopf, und zwar dank derselben Behandlung, die Ahmed Karim und Liane Young den Probanden ihrer teuflischen Experimente zur moralischen Entscheidungsfindung angedeihen ließen: einer Dosis TMS.
»Die Wirkungen des Umstylings lassen doch wieder nach, oder?«, lacht Andy und streicht sich die Haare glatt. »Denn die im Hotel wollen bestimmt nicht zwei Psychopathen an ihrer Bar hocken haben.«
»Die Wirkungen der Behandlung sollten innerhalb einer halben Stunde abgeklungen sein«, erklärt Nick, während er mich zu einem speziell kalibrierten Zahnarztstuhl führt, der mit einer Kopfstütze, einer Kinnstütze und Gesichtsgurten ausgestattet ist. »Stell dir die TMS als einen elektromagnetischen Kamm und die Gehirnzellen – Neuronen – als Haare vor. Die TMS kämmt die Haare nur in eine bestimmte Richtung und kreiert damit vorübergehend eine neuronale Frisur. Doch wie bei jeder neuen Frisur: Wenn du sie nicht pflegst, wird die alte Frisur bald ganz von selbst wieder da sein.«
Andys Gesicht sagt alles. Wo zum Teufel sind wir hier? In einem Labor oder einem Friseursalon?
Nick bittet mich, in dem unheimlich wirkenden Stuhl Platzzu nehmen und tätschelt mir für meinen Geschmack ein bisschen zu beschwichtigend die Schulter. Als er mich schließlich festgeschnallt hat, sehe ich aus wie Hannibal Lecter bei Specsavers (dem größten Optiker-Einzelhandelsunternehmen Großbritanniens). Er bringt die TMS-Spulen, die dem Griff einer riesigen Schere gleichen, auf dem mittleren Teil meines Schädels an und schaltet die Maschine ein.
Sofort fühlt es sich, als hantiere tief in meinem Kopf ein dämlicher Homunkulus-Bergmann mit einem Abbauhammer herum. Ich würde nicht sagen, dass es wehtat, aber ich wünschte mir doch, dass er bald aufhörte – dass seine neuro-mineralogische Schicht in Kürze zu Ende sei.
»Das ist die elektromagnetische Induktion, die du an deinem Drillingsnerv spürst«, erklärt Nick. »Der gehört zu den Nerven, die für Empfindungen im Gesicht und für bestimmte motorische Funktionen wie Beißen, Kauen und Schlucken verantwortlich sind. Du spürst sie wahrscheinlich in den Backenzähnen, stimmt’s?«
»Richtig«, nicke ich.
»Ich versuche gerade, den Teil deines Motorkortex zu finden«, fährt er fort, »der für die
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