Psychopathen
Dinge zu tun. Wenige Tage, nachdem man sie dort eingesetzt hatte, wurde der Stoßtrupp von einem Ziegenhirten, der seine Herde hütete, entdeckt. Und nahm in althergebrachter Manier die Beine in die Hand: 185 Meilen durch die Wüste in Richtung der syrischen Grenze.
Nur einer von ihnen schaffte es. Drei wurden getötet und die anderen vier, einschließlich Andy, an verschiedenen Punktenvon Irakern aufgegriffen. Nur so viel zu ihren Kidnappern: Keiner von ihnen sollte je eine eigene Chat-Show haben ... oder in die Annalen der kosmetischen Chirurgie eingehen. Es herrscht allgemeine Einigkeit darüber, dass es bessere Wege gibt, jemanden zu beruhigen, als ihm eine Zigarette auf dem Nacken auszudrücken. Und bessere Methoden, ihm den Kiefer zu brechen und zu remodellieren, als mit dem Kolben eines AK-47. Dank fortgeschrittenerer Techniken zu Hause in Großbritannien gibt es jetzt in Andys Mund mehr Porzellan als in allen Badezimmern des Buckingham Palace zusammen.
Und er sollte es wissen. 1991 ging er dorthin, um sich bei der Königin die Distinguished Service Medal abzuholen.
Diese Verdienstmedaille war nur der Anfang. 1993 erzählte Andy in einem Buch mit dem Titel ›Die Männer von Bravo Two Zero‹ die Geschichte des Stoßtrupps in all ihren grauenvollen Einzelheiten – und schuf damit praktisch über Nacht das Genre und die Form der modernen militärischen Memoiren. 129 Laut den Worten des befehlshabenden Offiziers der Special Air Services (SAS) wird die Geschichte von Bravo Two Zero »immer ein Teil der Regimentsgeschichte bleiben«.
Das war kein Scherz. Tatsächlich ist sie nun Teil einer breiteren kulturgeschichtlichen Entwicklung geworden – und Andy zu einem Markennamen.
Als ich mich vor mehreren Jahren bei einem Nachtflug nach Sydney über Afghanistan befand, entdeckte ich durch die Lücken in der Wolkendecke tief unten in der gefährlichen Dunkelheit zwischen den Bergen des Hindukusch winzige Lichtpunkte. Was zum Teufel ist das?, fragte ich mich. Die flackernden Lagerfeuer nomadischer Hirten? Die geheimen Verstecke einäugiger Taliban-Warlords?
Und prompt schaltete der Pilot die Sprechanlage ein: »Diejenigen von Ihnen, die auf der rechten Seite des Flugzeugs sitzen«, intonierte er, »sollten noch die Laptops der Jungs vom SAS erkennen, die ihre neuesten Bestseller raushauen.«
Die Sprechanlage wurde wieder ausgeschaltet. Und alle lachten.Andy hätte auch gelacht, wenn er mit im Flieger gewesen wäre. Aber ich glaube, wir flogen damals über seinen Kopf hinweg.
Eines der ersten Dinge, die einem bei Andy auffallen, und das sehr schnell, ist, dass er sich einen feuchten Kehricht um irgendetwas schert. Nichts ist ihm heilig. Und nichts bringt ihn auch nur im Geringsten aus der Fassung.
»Ich war ein paar Tage alt, als sie mich fanden«, erklärt er bei unserer ersten Begegnung am Bahnhof London Bridge. »Nur um die Ecke hier, auf den Stufen von Guy’s Hospital. Offenbar war ich in eine Harrods-Tüte eingewickelt.«
»Du machst wohl Witze«, sage ich. »Im Ernst?«
»Ja«, erwidert er. »Ungelogen.«
»Shit«, sage ich. »Unglaublich. Ich hab mir dich eher als TK-Maxx-Typ vorgestellt.«
»Du Mistkerl!«, brüllt er. »Der war gut. Gefällt mir.« Wir haben uns aus Anlass einer Radiosendung getroffen, die ich für die BBC mache. Die Sendung heißt »Extreme Persuasion« (Extreme Überredungskünste), 130 und ich bin neugierig zu erfahren, ob sich bestimmte psychopathische Merkmale beim SAS möglicherweise als nützlich erweisen. Wie z. B., sich einen Dreck um irgendetwas zu scheren. Ich werde nicht enttäuscht. Falls Sie vorhaben, zum SAS zu gehen, verrate ich Ihnen etwas: Wenn Sie ein Problem mit Ihrer Herkunft haben, sollten Sie besser zu Hause bleiben.
»Mit als Erstes fallen dir dort die Sticheleien auf. Jeder zieht ständig über jeden her. Macht sich über ihn lustig. Und wie bei den meisten Sachen im Regiment gibt es dafür einen guten Grund. 131 Wenn du gefangen genommen wirst, sollst du dich, wie man uns beibringt, völlig bedeckt halten. Du sollst so tun, als seist du müde und total neben der Spur. Denen, die dich verhören, den Eindruck vermitteln, dass du überhaupt nichts weißt. Dass du für sie kaum von Nutzen bist.
Wenn [die, die dich gefangen nehmen] nicht ganz dummsind, fangen sie an, nach Schwachpunkten zu suchen. Sie halten nach der winzigsten Reaktion Ausschau – flüchtigen Mikro-Ausdrücken, winzigen Augenbewegungen –, die deinen wahren Geisteszustand verraten
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