Psychopathen
selbst wie ein Nichtjude lebe, beschreibt L. Michael White, Professor für Altphilologie und Religionswissenschaft an der University of Texas at Austin, in seinem Buch ›From Jesus to Christianity‹ als »völliges Scheitern politischen Draufgängertums. Und Paulus verließ Antiochia bald als Persona non grata und kehrte nie wieder dorthin zurück.« 146
Schließlich wäre da noch das unbarmherzige, unerschrockene Taktieren des undurchsichtigen psychologischen Fassadenkletterers. Die aalglatten Selbstdarstellungskünste des Manipulationsexperten.
Erinnern Sie sich an die Worte des Trickbetrügers Greg Morant? Dass eine der mächtigsten Waffen im Arsenal des Trickbetrügers ein guter »Radar für Schwachstellen« sei? Die Aussage hätte auch von Paulus stammen können. Doch der formulierte es so:
»Den Juden bin ich ein Jude geworden, um Juden zu gewinnen; denen, die unter dem Gesetz stehen, bin ich, obgleich ich nicht unter dem Gesetz stehe, einer unter dem Gesetz geworden, um die zu gewinnen, die unter dem Gesetz stehen. Den Gesetzlosen war ich sozusagen ein Gesetzloser – nicht als ein Gesetzloser vor Gott, sondern gebunden an das Gesetz Christi –, um die Gesetzlosen zu gewinnen. Den Schwachen wurde ich ein Schwacher, um die Schwachen zu gewinnen. Allen bin ich alles geworden ...« (1 Korinther 9,20–22)
Wenn es wirklich Jesus war, der Paulus auf der Straße nach Damaskus erschien, und wenn Jesus tatsächlich einen Abgesandtenbrauchte, der ihm half, das Wort zu verkünden, dann hätte er sich keinen besseren wählen können. Und keinen, der bei den Christen mehr gefürchtet oder unbeliebter war. Zur Zeit seiner Bekehrung war die von ihm betriebene Christenverfolgung in vollem Gange. Ja, er war in erster Linie deshalb nach Damaskus unterwegs, um zu weiterem Blutvergießen anzustiften. Ist es Zufall, dass sein Aposteldienst dort begann?
Nicht alle Psychopathen sind Heilige. Und nicht alle Heiligen sind Psychopathen. Doch es gibt Hinweise darauf, dass Psychopathie und Heiligkeit sich tief in den Korridoren des Gehirns einen geheimen neuronalen Büroraum teilen. Und dass einige psychopathische Merkmale – Stoizismus, die Fähigkeit, Gefühle zu kontrollieren, im Augenblick zu leben, in veränderte Bewusstseinszustände einzutreten, heldenhaft, furchtlos, ja, wie es scheint, sogar empathisch zu sein – ihrem Wesen nach auch spirituell sind und nicht nur das eigene Wohlergehen verbessern, sondern auch das anderer Menschen.
Sollten Sie Zweifel haben, brauchen Sie nur hin und wieder einen Blick auf die Gebetstafel im Magdalen College zu werfen.
Rot sehen – das Geheimnis des Champions
Die Fähigkeit, angesichts von Widrigkeiten zu lächeln, gilt schon lange als Maßstab für spirituelle Intelligenz. Denken Sie nur an die folgenden Worte des Dichters Rudyard Kipling, die das Letzte sind, was ein Spieler sieht, bevor er auf den Centre Court von Wimbledon hinaustritt:
»Wenn du mit Sieg und Niederlage umgehen kannst
Und diese beiden Blender gleich behandelst ...« 147
Mit dieser Geisteshaltung assoziiert man normalerweise Heilige und keine Psychopathen.
2006 beschloss Derek Mitchell vom University College inLondon, gegen den Strom zu schwimmen – und ließ zwei Probandengruppen, Psychopathen und Nicht-Psychopathen, den Emotional Interrupt Task (EIT) genannten Test durchführen. 148 Hierbei wird anhand der Reaktionszeit die Unterscheidungsfähigkeit getestet. Typischerweise sitzen die Probanden vor einem Computerbildschirm und drücken – abhängig davon, welche Form auf dem Bildschirm erscheint, normalerweise ein Kreis bzw. ein Quadrat – entweder mit dem linken oder dem rechten Zeigefinger auf eine Taste.
Ziemlich einfach, werden Sie vielleicht denken. Tatsächlich kann diese Aufgabe aber sehr schwierig sein.
Das liegt daran, dass die Formen nicht allein auftauchen. Vielmehr wird jeder Kreis und jedes Quadrat jeweils für ein paar Hundert Millisekunden von unterschiedlichen Bilderpaaren eingerahmt, in der Regel Gesichtern. Dabei handelt es sich entweder um zwei positive Bilder (lächelnde Gesichter), zwei negative Bilder (wütende Gesichter) oder zwei neutrale Bilder (ausdruckslose Gesichter).
Die meisten Menschen empfinden die emotionalen Bilder als Problem. Und das aus dem einfachen Grund, dass sie emotional sind – und ablenken. Wenn Psychopathen jedoch so gelassen und entspannt sind, wie ihr Ruf es nahelegt, und das Leben tatsächlich so nehmen, wie es ist, dann sollte dies, wie Mitchell
Weitere Kostenlose Bücher