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Psychopathen

Psychopathen

Titel: Psychopathen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Dutton
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vermutete, in ihrem Fall nicht zutreffen. Vielmehr sollten sie bei den Versuchen, bei denen der Kreis oder das Quadrat von zwei positiven oder zwei negativen Bildern flankiert wird – Bildern mit einer emotionalen Valenz –, schneller und genauer reagieren, das heißt, sich weniger ablenken lassen als die Probanden der Kontrollgruppe. Dieser Unterschied zwischen Psychopathen und Nicht-Psychopathen sollte dann, so Mitchell, bei den Versuchen mit den neutralen, weniger ablenkenden Bildern verschwinden.
    Genau das war dann auch das Ergebnis. Wann immer der Kreis oder das Quadrat von zwei emotional geladenen Bildern eingerahmt wurde, gelang es den Psychopathen besser als denNicht-Psychopathen, zwischen den beiden Formen zu unterscheiden. Und schneller. Es gelang ihnen besser, ruhig zu bleiben und nicht den Kopf zu verlieren, wie Kipling vielleicht gesagt hätte.
    Stoizismus ist eine Haltung, die in unserer Gesellschaft sehr geschätzt wird. Und das aus gutem Grund. Sie kann sich in allen möglichen Situationen als nützlich erweisen: bei einem Trauerfall, nach einer Trennung, am Pokertisch. Selbst in Zeiten, in denen man ein Buch schreibt. Doch als schwer geprüfter Anhänger der englischen Fußballnationalmannschaft, der schon so viele Debakel beim Elfmeterschießen miterleben musste, ist die Beziehung zwischen Stoizismus und Sport für mich vielleicht am augenfälligsten.
    Und das sage ich nicht nur aus Sicht eines Zuschauers. Nichts vermag die beiden Bestandteile des Stoizismus – Furchtlosigkeit und Fokussiertheit, Elemente der Psychopathie wie auch des spirituellen Scharfsinns – deutlicher zu machen als der Sport.
    »Wisst ihr nicht, dass die Läufer im Stadion zwar alle laufen, aber dass nur einer den Siegespreis gewinnt?«, schrieb Paulus. »Lauft so, dass ihr ihn gewinnt ... Darum laufe ich nicht wie einer, der ziellos läuft, und kämpfe mit der Faust nicht wie einer, der in die Luft schlägt; vielmehr züchtige und unterwerfe ich meinen Leib.« [36]
    Dass Kiplings Worte über dem Centre Court hängen, ist sicher kein Zufall ... und sie gelten auch nicht nur für den Tennissport. »Zu spielen, als würde es nichts bedeuten, obwohl es alles bedeutet«, antwortete die Snookerlegende Steve Davis auf die Frage, was sportliche Größe ausmache. Schlechte Stöße – und auch gute Stöße – »abhaken« und sich voll und ganz auf den nächsten Stoß konzentrieren.
    Dasselbe gilt fürs Golfen.
    2010 gewann der Südafrikaner Louis Oosthuizen als krasser Außenseiter die British Open Championships in St. Andrews.Nach einer Serie von Enttäuschungen bei den Veranstaltungen vor diesem Turnier erwartete man allgemein, dass er, selbst mit vier Schlägen Vorsprung, dem Druck der mörderischen letzten Runde nicht standhalten würde. Doch das tat er. Was einen überraschend einfachen Grund hatte: ein kleiner roter Punkt, sichtbar angebracht auf seinem Handschuh direkt unterhalb des Daumensattels.
    Die Idee zu diesem Punkt stammte von Karl Morris, einem Sportpsychologen aus Manchester, den Oosthuizen gebeten hatte, ihm dabei zu helfen, mit seinem verborgenen inneren Psychopathen Verbindung aufzunehmen: sich voll und ganz auf den jeweiligen Schlag zu konzentrieren, statt sich genau im falschen Moment zwanghaft damit zu beschäftigen, was alles passieren könnte.
    Morris dachte sich also einen Plan aus. Kurz bevor Oosthuizen zum Schlag ausholte, sollte er sich ganz ruhig und gelassen auf den roten Punkt konzentrieren. In diesem Moment war der Punkt alles, was zählte. Oosthuizen sollte den Schlag nicht ausführen, sondern sich von dem Schlag führen lassen.
    Er gewann mit sieben Schlägen Vorsprung.
    Oosthuizens roter Punkt ist ein klassisches Beispiel für das, was man in der Sportpsychologie als »Process Goal« bezeichnet – eine Technik, die den Athleten zwingt, sich auf etwas ganz Bestimmtes, und mag es auch noch so unbedeutend sein, zu fokussieren, um zu verhindern, dass er an andere Dinge denkt. In Oosthuizens Fall an all die Möglichkeiten, den Schlag in den Sand zu setzen. Diese Technik verankert den Athleten fest im Hier und Jetzt. Bevor das Selbstvertrauen zu schwinden beginnt. Diese Fähigkeit, sich allein auf die vorliegende Aufgabe zu konzentrieren – was der ungarische Psychologe Mihály Csíkszentmihályi als »optimale Erfahrung« oder als »Flow« bezeichnet –, gehört zu einer Reihe von Schlüsseltechniken, mit denen Leistungspsychologen heute arbeiten. 149 Nicht nur mit Golf-Profis, sondern auch mit

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