Psychopathen
und Probleme mit einer Reihe einfacher Aufgaben vortäuschte – z. B. dem Öffnen einer Wasserflasche oder dem Eintragen des Namens des Teilnehmers in ein angebliches Protokollbuch –, aber trotz ihrer augenfälligen Verletzung tapfer durchhielt.
Wer, so wollte Mahmut wissen, würde in diesen drei Szenarien am ehesten seine Hilfe anbieten: die erbarmungslosen, kaltherzigen Psychopathen oder ihre herzlicheren, empathischeren Gegenspieler?
Die Ergebnisse der Studie machten Mahmut sprachlos. Sie waren so weit entfernt von dem, was er erwartet hatte, dass er noch immer versucht, sie zu verstehen.
Im ersten Teil des Experiments, in dem der Komplize nach dem Weg fragt, boten die Psychopathen wie vorausgesagt weniger Hilfe an als die Nicht-Psychopathen.
Hier also keine Überraschungen.
Im zweiten Teil jedoch – fallen gelassene Papiere – schwand der Unterschied auf geheimnisvolle Weise dahin. Psychopathen und Nicht-Psychopathen legten dasselbe Maß an Hilfsbereitschaft an den Tag.
Doch im dritten Teil, in dem die Komplizin eine Verletzung vortäuschte, lag Mahmut mit seiner Hypothese, dass die Psychopathen weniger hilfsbereit sein würden, völlig daneben.
In Wirklichkeit traf genau das Gegenteil zu.
Die Psychopathen zeigten eine größere Bereitschaft, Aufgaben wie das Öffnen einer Wasserflasche oder das Eintragen ihres Namens in das Protokollbuch zu übernehmen als die Nicht-Psychopathen. Als die Person, die Hilfe brauchte, am hilflosesten war, diese Hilfe aber nicht aktiv forderte, waren die Psychopathen zur Stelle. Als es wirklich darauf ankam, ergriffensie viel eher die Initiative als ihre (zumindest angeblich) herzlicheren, empathischeren Kollegen.
Wie nicht anders zu erwarten, haben die Ergebnisse dieses Experiments einiges Stirnrunzeln erzeugt. Eine Interpretation lautet natürlich – wie eine aufgeklärte (und zweifellos ziemlich verbitterte) Seele einmal meinte –, dass es kein wirklich altruistisches Handeln gibt. Egal, wie sorgfältig wir es auch zu tarnen versuchen, es gibt immer ein verborgenes, eigennütziges, eindeutig weniger ehrenhaftes Motiv – und die Psychopathen in Mahmuts Studie mit ihrer fein abgestimmten, hochsensiblen Antenne für Schwachpunkte (denken Sie an das Experiment von Angela Book, bei dem es den Psychopathen besser gelang als den Nicht-Psychopathen, die Opfer eines Gewaltangriffs allein aufgrund ihres Gangs herauszupicken) haben ganz einfach »Blut gerochen«.
»Die Menschen suchen nur eines im Leben: ihr Vergnügen«, schrieb der Schriftsteller W. Somerset Maugham in seinem Roman ›Der Menschen Hörigkeit‹: »Der Mensch handelt so, wie es gut für ihn ist, und wenn sein Handeln auch für andere gut ist, gilt es als tugendhaft ... Allein zu Ihrem Privatvergnügen geben Sie einem Bettler ein Zweipencestück, so wie ich mir zu meinem Privatvergnügen einen weiteren Whisky mit Soda genehmige. Da ich weniger von einem Pharisäer habe als Sie, spende ich mir für mein Vergnügen keinen Beifall und verlange auch nicht nach Ihrer Bewunderung.« 159
Ganz recht!
Es gibt jedoch auch Anzeichen dafür, dass Mahmuts provozierende Ergebnisse kein Zufall sind. Und dass sie den Beginn einer begrüßenswerten neuen Ausrichtung des empirischen und theoretischen Fokus markieren: die Abkehr von den konventionellen abwertenden physiologischen Profilen der Neuroimaging-Brigade und die Hinwendung zu einer pragmatischeren Erforschung der funktionellen »positiven Psychopathie«. So untersuchen z. B. seit Kurzem Diana Falkenbach und Maria Tsoukalas vom John Jay College of Criminal Justice der City Universityin New York das Vorkommen sogenannter »adaptiver« psychopathischer Merkmale bei Gruppen, die sie als »Helden-Populationen« bezeichnen: bei Menschen, die in Bereichen wie dem Strafvollzug, dem Militär und den Rettungsdiensten tätig sind. 160
Ihre Ergebnisse decken sich mit den Daten, die Mahmut bei seinen Forschungen gewonnen hat. Helden-Populationen sind trotz ihres prosozialen Lebensstils
knallhart.
Wie angesichts der Traumata und Risiken, die ihre Berufe mit sich bringen, kaum anders zu erwarten, sind bei ihnen einerseits die mit den PPI-Dimensionen Angstlosigkeit/Dominanz und Kaltherzigkeit (d. h. soziale Dominanz, Stressimmunität und geringes Angstlevel) verbundenen psychopathischen Merkmale stärker ausgeprägt als bei der Allgemeinbevölkerung.
Diese Regler sind höher eingestellt.
Andererseits unterscheiden sie sich jedoch von kriminellen Psychopathen dadurch, dass
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