Psychopathen
ihnen die mit der Dimension egozentrische Impulsivität einhergehenden Merkmale (z. B. Machiavellismus, Narzissmus, sorglose Planlosigkeit und antisoziales Verhalten) weitgehend fehlen.
Diese Regler sind niedriger eingestellt.
Ein solches Profil steht im Einklang mit der Anatomie des Helden, wie der Psychologe Philip Zimbardo sie darstellt, der Gründer des Heroic Imagination Project – einer Initiative, die darauf abzielt, die Menschen in den Techniken der sozialen Beeinflussung zu unterweisen. Oder genauer, darin, sich dieser Beeinflussung widersetzen zu können. 161
In einem 1971 durchgeführten Experiment, das schon vor langer Zeit in die Ruhmeshalle der Psychologie aufgenommen wurde, funktionierte Zimbardo das Kellergeschoss des psychologischen Instituts der Stanford University zu einem Gefängnis um und ließ zwölf nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Studenten die Rolle von Häftlingen und zwölf andere die Rolle von Wächtern übernehmen. 162
Nach nur sechs Tagen wurde das Experiment abgebrochen.Einige der »Wächter« hatten begonnen, die »Häftlinge« zu demütigen und ihre Macht zu missbrauchen.
Vierzig Jahre später – nach Abu Ghraib und den damit verbundenen schmerzlichen Lehren – ist Zimbardo mit einem radikal anderen Projekt beschäftigt: der Entwicklung des »Heldenmuskels« in uns allen. Dabei geht es darum, den Normalbürger darin zu bestärken, sich zu erheben und etwas zu bewirken, statt sich aus Angst zum Schweigen bringen zu lassen. Und das nicht nur im Fall physischer, sondern auch psychischer Konfrontationen, die, je nach Umständen, eine genauso große Herausforderung darstellen können.
»Die Entscheidung, heldenhaft zu handeln, ist eine, zu der viele von uns an irgendeinem Punkt in ihrem Leben aufgerufen sein werden«, erklärt mir Zimbardo. »Es bedeutet, keine Angst davor zu haben, was andere denken könnten. Es bedeutet, keine Angst vor den negativen Folgen für uns selbst zu haben. Es bedeutet, keine Angst davor zu haben, den Kopf hinzuhalten. Die Frage ist: Werden wir diese Entscheidung treffen?«
Bei einer Tasse Kaffee unterhalten wir uns in seinem Büro über Angst, Konformität und den moralischen Imperativ, psychischen wie auch physischen Konfrontationen standzuhalten. Wie nicht anders zu erwarten taucht unser alter Freund, das Gruppendenken, wieder auf, dem wir in Kapitel 3 in Zusammenhang mit der Challenger-Katastrophe begegnet sind. Dort übten die Ingroup-Kräfte der sozialen Schwerkraft einen so großen Druck auf das Kollektiv aus, dass die Folge, laut Irving Janis, dem Psychologen, der einen Großteil der anfänglichen Arbeit zum Gruppendenken leistete, »eine Beeinträchtigung der mentalen Leistungsfähigkeit, der Realitätsprüfung und des moralischen Urteils« war. 163
Zimbardo zitiert als weiteres Beispiel den Angriff auf Pearl Harbor durch die Japaner während des Zweiten Weltkriegs.
Am 7. Dezember 1941 startete die kaiserlich-japanische Marine einen Überraschungsangriff gegen einen Marinestützpunktder Vereinigten Staaten auf der hawaiianischen Insel Oahu. Die Offensive war als Präventivschlag gedacht, um die Pazifikflotte der USA daran zu hindern, geplante japanische Angriffe gegen die Alliierten in Malaya und Niederländisch-Ostindien zu vereiteln.
Sie hatte verheerende Folgen.
Insgesamt 188 US-Flugzeuge wurden zerstört, 2402 Amerikaner getötet und 1282 verletzt – was den damaligen Präsidenten Franklin D. Roosevelt dazu veranlasste, sich am folgenden Tag für eine formale Kriegserklärung gegen das Kaiserreich Japan starkzumachen. Der Kongress gab ihm grünes Licht, eine Entscheidung, für die die Abgeordneten nicht einmal eine Stunde brauchten.
Aber hätten der Angriff auf Pearl Harbor, das fürchterliche Blutbad und die chaotischen entsetzlichen Folgen verhindert werden können? Es gibt Hinweise darauf, dass dies möglich gewesen wäre und dass eine Konstellation von Faktoren des Gruppendenkens – falsche Annahmen, ein nicht hinterfragter Konsens, kritiklos hingenommene Urteilsverzerrungen, die Illusion der Unverwundbarkeit – dazu führte, dass die auf Hawaii stationierten US-Marineoffiziere derart geringe Sicherheitsvorkehrungen trafen.
Da die USA den japanischen Funkverkehr abhörten, hatten sie z. B. verlässliche Informationen, dass Japan sich für eine Offensive rüstete. Washington gab diese Informationen an das militärische Oberkommando in Pearl Harbor weiter. Doch die Warnungen wurden ignoriert, die Entwicklungen als
Weitere Kostenlose Bücher