Psychotherapeuten im Visier
Krankheitsstatus angemessene fachliche Qualifikation des Therapeuten muss der Patient voraussetzen können – und jedwede Empathie darf er ohne Einschränkung erwarten. Aber von diesem in anderen Disziplinen ganz selbstverständlichen Anspruchsniveau und einer standardisierten Behandlung, die sich nachweisbar als richtig erwiesen hat, sind Psychiatrie und Psychologie noch weit entfernt. Und solange sie sich einer objektiven Überprüfung ihrer therapeutischen Verfahren widersetzen, wird das Misstrauen bei Patienten weiter groß bleiben. Und wenn nachweislich nur ein Bruchteil aller Depressionskranken richtig, also auch konsequent, erfolgreich und zeitnah behandelt werden, bleibt das quälende Unbehagen bestehen. Für jeden seelisch Kranken ist das eine niederschmetternde Botschaft. Ändern wird sich dieser seit Jahren geradezu betonierte Zustand nur, wenn die Kranken
die Kraft aufbringen, sich zu wehren, zweifelhafte Therapeuten zur Rede zu stellen und Skurrilitäten in der Behandlung, sich endlos hinziehende Therapien ohne den geringsten Fortschritt, das Verweigern von Medikamenten und besonders auch das Ablehnen von Zweitmeinungen unabhängiger Kollegen, all diese Erfahrungen den zuständigen Kammern zu melden. Ohne einen wirklichen Druck, auch öffentlich, wird sich sonst an der Situation von Patient und Therapeut nichts ändern. Aber genau das darf nicht geschehen. Den Mut müssen die Patienten aufbringen, dazulernen die Therapeuten.
Der Spontansuizid: Warum?
Jedem Suizid geht eine Krankheits- und Leidenszeit voraus. Nur der bilanzierende, der nüchtern abgewogene Tod ist rational zu nennen, nur der Bilanzsuizid ist ein wirklicher Freitod. Die Gründe, sich gegen das Leben zu entscheiden, sind vielfältig: Alter, Schmerz, Einsamkeit oder einfach Lebensmüdigkeit. Auch wenn die Gründe einer Entscheidung gegen das Leben für Dritte unverständlich sein mögen, so gibt es doch – für den, der sich bemüht, hinter das Geheimnis des selbstbestimmten Lebensendes zu kommen – stets eine plausible Erklärung, die meiner Forderung auf das Recht des Todes von eigener Hand entspricht. Allerdings muss es dafür endlich die Möglichkeit eines gnädigen, eines verständnisvoll begleiteten Todeswunsches geben, so wie es ein begleitendes Sterben gibt, das wir uns doch so sehr wünschen, wenn die Zeichen des Endes eindeutig werden.
Natürlich wünsche ich mir zuerst einmal eine hoffnungsvolle und kompetente Begleitung, sollte ich einmal ernsthaft krank werden, aber es gibt dann sicher irgendwann viele
kleine und größere Spiegel, die uns der Tod entgegenhält, sodass wir uns eines Tages nicht mehr abwenden können, so wie nach einer durchzechten Nacht mit wüst zerwühltem Haar, schmerzenden Bartstoppeln und uns selbst abstoßendem Odem – diese Erfahrung macht jeder einmal in seinem Leben und meist fällt dann auch der Kommentar: Ich fühle mich sterbenskrank. Dieser Zustand kann äußerst unangenehm sein, aber er geht vorüber.
Wer einmal auf dem Meer ohne Orientierungspunkte an Land, in dunkler Nacht so richtig seekrank war, der weiß, wie stark die Signale unseres Magens an das Gehirn in ihrer Wirkung sind: wenn du, Hirn oder Kopf, wer auch immer, nicht mehr in der Lage bist, mich davon zu überzeugen, dass Seekrankheit immer ohne Folgen bleibt, dass, beruhigen sich Wasser und Schiff, der Todeswunsch sich im Nachhinein als vollkommen unerklärlich herausstellt, dass er gleichsam mit der sich glättenden See seine Wirkung verliert, dann verliert der uns innewohnende Überlebensimpuls kurzfristig seine sonst so große Kraft. Seekrankheit kann einen an die Grenze zwischen Leben- und Sterben-Wollen bringen: Mir geht es so schlecht, so furchtbar schlecht, ich möchte nur noch sterben. Und so mancher hat dem Todeswunsch nicht standgehalten und ist in die tosende See gesprungen und ertrunken. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass wir keineswegs stets und in jeder Situation das Leben wollen! Unser Gehirn ist bestechlich, schon ein verkorkster Magen sehnt sich nach dem Tod für den Rest unseres Körpers, Schmerz ist auch so ein Gegner unseres sonst so entschlossenen Willens und der erst jetzt mehr und mehr erforschte Noceboeffekt trachtet uns, wenn wir ihm begegnen, auch nach dem Leben. Wir selbst also sind nicht verlässlich, was den Lebenswunsch angeht, nur allzu schnell lassen wir uns in die Irre in Richtung Tod
führen – und in vielen Fällen gibt es für den Verführten tatsächlich kein Zurück.
Der Spontansuizid ist
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